Leitartikel, TIROLER TAGESZEITUNG: „Gesundheitssystem als Langzeitpatient“, von Anita Heubacher

Ausgabe vom Samstag, 7. Jänner 2023

Innsbruck (OTS) Einst ein Vorbild, lässt sich der Qualitätsverlust im österreichischen Gesundheitssystem nicht mehr leugnen. Dauerüberlastete Spitäler, lange Wartezeiten, verschobene OPs. Es braucht große Reformen und Machtverschiebungen.

Nur nicht krank werden. Das ist immer ein frommer Wunsch, beim Anblick des österreichischen Gesundheitssystems ein äußerst dringlicher. In Wien ist jedes sechste Spitalsbett gesperrt, es gibt bereits 50 Gefährdungsanzeigen. Ärzte und Pfleger weisen damit darauf hin, dass sie ihren Job nicht mehr ordentlich machen können. Operationen werden verschoben. Die Entwicklung in Tirol ist ebenso beunruhigend. 30 gesperrte Spitalsbetten am Landeskrankenhaus Innsbruck mitten in der vierten Corona-Welle vor einem Jahr, heute sind es 280 Betten, die nicht mehr belegt werden können, weil das Personal fehlt. Österreichs Spitäler scheinen dauerüberlastet zu sein. Dazu kommen lange Wartezeiten bei den immer rarer werdenden Kassenärzten und ein Wahlarztsystem, das die Zweiklassenmedizin ordentlich zur Schau stellt. Zum Drüberstreuen gibt es auch noch einen Engpass bei Medikamenten.
Inzwischen ist es so, dass die verantwortliche Politik das nicht einmal mehr leugnet. Gesundheitsminister Johannes Rauch von den Grünen rief unlängst dazu auf, das österreichische Gesundheitssystem umzustrukturieren, ansonsten fahre man das gesamte System an die Wand. Auch die Vertreter der Länder sind für Reformen. Im Rahmen des Finanzausgleichs soll auf jeden Fall der Bund für die angeschlagenen Spitäler mehr zahlen.
Nun, Österreichs Politik auf Landes- und Bundesebene sowie die mitwirkenden Akteure der Sozialversicherungen und der Ärztekammer sollten wohl schleunigst dorthin zurückkehren, wo man vor der Pandemie war, und die Neustrukturierung nun ernsthaft angehen.
Allein schon das Aufzählen der handelnden Akteure zeigt, woran das österreichische Gesundheitssystem am meisten krankt: Viele Köche verderben den Brei. Vieles scheitert daran, dass der niedergelassene Bereich und die Spitäler noch immer nicht aus dem selben Geldtopf finanziert werden. Patienten werden daher gerne dorthin geschoben, wo der andere zahlt. Anstatt eine ernsthafte Reform anzugehen, hat uns ÖVP-Altkanzler Sebastian Kurz eine infeffiziente Fusionierung der Gebietskrankenkassen, aber keine Patientenmilliarde hinterlassen.
Gesundheitsminister Johannes Rauch hat Recht, es braucht eine Umstrukturierung. Die zu komplexe und ineffiziente Finanzierung des Gesundheitssystems muss endlich weichen. Vielleicht lassen die Ebbe in den Landes- und Bundeskassen und der offensichtliche Qualitätsverlust den Druck auf die vielen handelnden Akteure steigen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

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