Leitartikel „Mit wem es der Westen zu tun hat“ vom 4. Februar 2021 von Floo Weißmann

Innsbruck (OTS) Kremlchef Putin lässt sich durch Appelle und Drohungen des Westens nicht beeindrucken. Der Umgang mit dem repressiven Regime in Moskau bleibt eine frustrierende Gratwanderung.

Von Floo Weißmann
Der Fall Nawalny mag die russische Opposition und den Westen empören. Aber vorerst spricht nichts dafür, dass sich dadurch etwas ändert an der politischen Dynamik in Russland oder am Verhältnis zwischen Ost und West.
Schon bisher war klar, dass die russische Führung um Kremlchef Wladimir Putin sich mit Repression an der Macht hält und dabei auf Appelle und Drohungen des Wes­tens pfeift. Je größer die Unzufriedenheit und der Reformstau im Land, je düsterer die wirtschaftlichen Aussichten, desto unerbittlicher arbeitet der Machtapparat daran, jede innere Störung auszuschalten. Das spitzt sich seit Jahren weiter zu.
Im Fall Nawalny kommen Fehleinschätzungen des Machtapparats hinzu. Vieles spricht dafür, dass der Oppositionsführer erst durch den gescheiterten Giftanschlag, die Festnahme bei der Rückkehr ins Land und die fadenscheinigen Vorwürfe zu einem relevanten Störfaktor aufgestiegen ist. Mit der Haftstrafe und dem brutalen Vorgehen gegen Tausende Nawalny-Anhänger hat der Kreml wenige Monate vor der Duma-Wahl die Notbremse gezogen.
Dass der Westen dies anprangert, ist richtig. Aber der Protest muss zu einem guten Teil als Signal nach innen verstanden werden, für welche Werte der Westen steht oder stehen will. Die Führung in Moskau wird sich davon kaum beeindrucken lassen. Ihr Verhältnis zum Westen ist ohnehin ramponiert durch eine ganze Reihe von ungelösten Konflikten, begleitet von westlichen Sanktionen. Aus der Sicht des Kreml gab es durch eine bessere Behandlung von Nawalny nichts zu gewinnen und durch seine Verurteilung wenig zu verlieren.
Es ist gut möglich, dass die EU jetzt noch einmal an der Sanktionsschraube dreht und beispielsweise Personen aus Putins Umgebung auf die schwarze Liste setzt – als Zeichen nach innen und außen. Aber sie wird wegen Nawalny kaum den vollständigen Bruch mit der russischen Führung riskieren. Dafür gäbe es in der EU keine politische Mehrheit, und es würde den eigenen Interessen widersprechen. Der Dialog mit Moskau bleibt notwendig für pragmatische Deals – von der Rüstungskontrolle über die Energieversorgung bis zum Kampf gegen den Klimawandel – und jetzt vielleicht auch gegen die Pandemie.
Unabhängig von Nawalny bleibt der Umgang mit Russland eine schwierige und frustrierende Gratwanderung – zumindest solange Putin in Moskau die entscheidenden Fäden zieht. Der Fall Nawalny sollte aber die Beschwichtiger im Westen daran erinnern, mit wem sie es zu tun haben.

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