Leitartikel „Hazard-Spiel mit Billionen-Bazooka“ vom 22.5.2020 von Christian Jentsch

Innsbruck (OTS) Mit Billionen soll die Corona-Krise überwunden und Krisen-Staaten gerettet werden. Die Notenbanken öffnen alle Schleusen. Doch wer alle Regeln langfristig außer Kraft setzt, riskiert ein böses Erwachen.

Von Christian Jentsch
Dagobert Duck hätte wohl seine größte Freude. Zur Bekämpfung der Corona-Krise ist eine Geld-Lawine unvorstellbaren Ausmaßes ins Rollen gekommen. Billionenschwere Hilfspakete wurden geschnürt, um weltweit der schwer angeschlagenen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Dazu werden alle Tabus gebrochen, alle Limits gesprengt. Mit seinem Motto „Whatever it takes“, mit dem der frühere Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, die Finanzmärkte in der Eurokrise zu beruhigen suchte, wurde er zum Reibebaum vieler Konservativer. Heute scheinen sich Politiker aller Couleurs sein Motto zu eigen gemacht haben. Die einzelnen Nationalstaaten, die EU und die USA gehen in die Vollen. Und die Notenbanken öffnen alle Schleusen. Die EZB will für den Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen 750 Milliarden Euro in die Hand nehmen, die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) setzt mit ihrem 2-Billionen-Dollar-Rettungspaket auf nahezu grenzenlose Unterstützung. Auch auf europäischer Ebene wird plötzlich möglich, was bis vor Kurzem in Deutschland noch absolut verpönt war – die Vergemeinschaftung von Staatsschulden in der EU. So genannte Euro-Bonds oder Corona-Bonds galten lange als Schreckgespenst. Nun soll laut einem gemeinsamen Vorschlag von Deutschlands Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsidenten Macron die EU-Kommission 500 Mrd. Euro über Anleihen am Kapitalmarkt aufnehmen und über den EU-Haushalt als Zuwendungen an Krisenstaaten wie Italien und Spanien verteilen. Es geht um europäische Schulden, die gemeinsam von allen EU-Staaten abgezahlt werden müssen. Doch es gibt Widerstand, auch von Österreich. Eines ist jedenfalls klar: EU-Länder wie Italien und Spanien, die von der Corona-Pandemie besonders hart getroffen wurden und schon vorher wirtschaftlich auf der Intensivstation lagen, brauchen europäische Solidarität, um sich retten zu können und um Europa nicht als Ganzes zu gefährden. Andererseits dürfen die Hilfspakete und die Geldschwemme nicht eine schonungslose Analyse der politischen Fehlleistungen zudecken. Warum das Gesundheitssystem etwa in Italien auf so wackeligen Beinen steht, muss genau analysiert werden. Haushaltspolitische Aufgaben müssen gemacht, eine ungebremste Schuldenrallye verhindert werden. Und: Die Billionen der Zentralbanken können in der Krise zur Überbrückung einer Notlage dienen, der Ausnahmezustand darf aber nicht zum Normalzustand werden. Die Zeche muss bezahlt werden. Wenn alle Regeln über Bord geschmissen werden, könnte es nach der Billionen-Bazooka zum bösen Erwachen kommen.

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