Leitartikel „Die EU zur Melkkuh degradiert“ vom 11. Juni 2021 von Gabriele Starck

Innsbruck (OTS) Milliarden aus den EU-Töpfen abschöpfen, aber auf das Gemeinschaftsrecht pfeifen. Das Beispiel von Ungarn und Polen macht zunehmend Schule in der EU. Und die Hüterin der Verträge, die EU-Kommission, schaut zu.

Von Gabriele Starck
Das Projekt Europa ist gescheitert. Dieser Meinung ist die Mehrheit der EU-BürgerInnen in Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Österreich. Der frühere Kommis­sionspräsident Jean-Claude Juncker bezeichnete die Vertrauenskrise am Mittwoch im MCI als vorübergehend und der anfangs holprigen Pandemie-Bekämpfung geschuldet. Juncker nennt sich Optimist, verschweigt aber auch nicht, dass für einen guten Ausgang etwas getan werden muss. Das eigene Haus in Ordnung bringen, nannte er es am Mittwoch in einem anderen Zusammenhang.
Und da ist einiges in Ordnung zu bringen. Das Haus Europäische Union hat Risse. Sie breiten sich im Mauerwerk aus und greifen inzwischen die Fundamente der Gemeinschaft an – Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit und Menschenrechte. Seit Jahren treten die Regierungen von Ungarn und Polen diese Pfeiler mit Füßen. Sie missachten Gemeinschaftsrecht, gängeln die Justiz, bringen kritische Stimmen zum Schweigen. Und andere Regierungen beginnen, es ihnen gleichzutun – die slowenische etwa.
Diese Regierungen nutzen zudem ihr Veto-Recht in außenpolitischen Fragen dazu, die anderen zu erpressen, um Eigeninteressen durchzusetzen und ihre Macht zu zementieren. So kann nicht einmal mehr eine Resolution gegen chinesische Menschenrechtsverletzungen verabschiedet werden. Die EU-Milliarden streifen diese Regierungen hingegen gern ein. Für sie ist die EU nur eine Melkkuh, die sie vor ihren eigenen WählerInnen verächtlich machen, um selbst größer zu erscheinen.
Es ist die Aufgabe der Kommission, für die Einhaltung der EU-Verträge zu sorgen. Doch die unzähligen Vertragsverletzungsverfahren, die sie gegen die Mitgliedsstaaten – auch Österreich – ständig einleiten muss, sind dann zahnlos, wenn das Einsehen und der Wille zur Korrektur auf der anderen Seite fehlen. Dabei hätte Brüssel seit Jahresbeginn erstmals ein wirklich schmerzhaftes Instrument zur Verfügung. Die Kommission kann auf Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit mit der Kürzung von EU-Mitteln reagieren. Dass sie das bislang nicht tut, ist der Behörde und ihrer Chefin, Ursula von der Leyen, schwer anzulasten, und es vermittelt ein verstörendes Bild von Hilflosigkeit und Schwäche. Schwäche darf man auch EU-Ratspräsident Charles Michel vorwerfen, weil er zuletzt das Einstimmigkeitsprinzip in der Außenpolitik trotz der egomanischen Blockade-Politik Einzelner verteidigte.
Wenn die beiden höchsten Repräsentanten Europas nicht schnell dem EU-Recht und ihren Ämtern Respekt verschaffen, werden sie als Totengräber des Projekts Europa in die Geschichte eingehen.

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