Innenausschuss ebnet Weg für Novelle zum Versammlungsgesetz

Demonstrationsrecht von Nicht-EU-BürgerInnen wird eingeschränkt

Wien (PK) Rund um Demonstrationen wird es künftig eine Schutzzone von bis zu 150 Meter geben. Zudem erhält die Regierung die Möglichkeit, Wahlkampfauftritte ausländischer PolitikerInnen in Österreich unter bestimmten Voraussetzungen zu verbieten. Trotz anhaltender Kritik von zivilgesellschaftlichen Organisationen hat der Innenausschuss des Nationalrats heute mit den Stimmen der Koalitionsparteien den Weg für die Ende März von SPÖ und ÖVP eingebrachte Novelle zum Versammlungsgesetz geebnet. Inhaltliche Änderungen am ursprünglichen Entwurf wurden nicht vorgenommen, die Abgeordneten haben jedoch einige technische Korrekturen eingearbeitet und die Erläuterungen mit einem Abänderungsantrag in mehreren Punkten präzisiert.

Einhellig abgelehnt wurde der Gesetzentwurf von der Opposition. Sowohl die Grünen als auch die FPÖ fürchten, dass durch die Novelle das Demonstrationsrecht von AusländerInnen übermäßig eingeschränkt wird. So könnte die Regierung künftig etwa eine Demonstration der Free-Tibet-Bewegung, zu der der Dalai Lama eingeladen wurde, untersagen, weil sie ihrem außenpolitischen Interesse zuwiderläuft, machte FPÖ-Sicherheitssprecher Walter Rosenkranz geltend. Albert Steinhauser (G) sieht durch die gewählte Formulierung außerdem auch ÖsterreicherInnen betroffen, die etwa eine Kurden-Demonstration anmelden wollen. „Husch-Pfusch“ und skurille Formulierungen ortet auch Nikolaus Scherak (N).

Team-Stronach-Abgeordneter Christoph Hagen schlug vor, die geplanten Änderungen gemeinsam mit den weiteren Vorschlägen von Innenminister Wolfgang Sobotka zur Novellierung des Versammlungsgesetzes bei der von Sobotka angekündeten Enquete zu diskutieren. Ein von ihm eingebrachter Vertagungsantrag fand jedoch keine Mehrheit. Anders als die Opposition sind ÖVP-Abgeordneter Michael Hammer und SPÖ-Abgeordnter Jürgen Schabhüttl überzeugt, dass die geplanten Änderungen notwendig sind, um der Polizei die Arbeit zu erleichtern. Durch die verlängerte Anmeldefrist könne sie sich besser auf Demonstrationen vorbereiten. Das bekräftigte auch Innenminister Wolfgang Sobotka. Es brauche die bestmögliche Sicherheit für alle Beteiligten, sagte er.

Schutzzone soll ungestörten Ablauf von Demonstrationen gewährleisten

Ziel der neuen Schutzzone ist die Gewährleistung des ungehinderten Ablaufs von Demonstrationen. Weder am Ort einer rechtmäßigen Versammlung noch innerhalb des Schutzbereichs darf künftig eine andere Versammlung abgehalten werden. Damit wollen die Regierungsparteien die Störung oder Verhinderung einer Versammlung durch Gegendemonstrationen verhindern. Das Ausmaß des Schutzbereichs ist von der Behörde vorab festzulegen, zu berücksichtingen sind dabei etwa die Zahl der erwarteten TeilnehmerInnen sowie der zu erwartende Verlauf der Versammlung. Wird kein ausdrücklicher Schutzbereich angeordnet, gilt eine allgemeine Schutzzone von 50 Metern, das betrifft auch sogenannte Spontanversammlungen.

Gemäß den Erläuterungen zum Gesetzentwurf wird der Schutzbereich vom äußeren Rand der Versammlung zu messen sein. Auch eine Schutzzone unter 50 Meter kommt grundsätzlich in Frage, etwa wenn der Versammlungsort durch bauliche Gegebenheiten begrenzt ist. Maximal darf sie jedenfalls 150 Meter betragen. Um Behörden ausreichend Zeit für die Prüfung und für vorbereitende organisatorische Maßnahmen zu geben, wird die Frist zur Anmeldung einer Versammlung von 24 auf 48 Stunden verlängert. Ist die Teilnahme eines Vertreters bzw. einer Vertreterin eines ausländischen Staates oder einer internationalen Organisation an der Versammlung geplant, verlängert sich diese Frist auf eine Woche.

Deutlich ausgeweitet wird die Möglichkeit, politische Kundgebungen von Nicht-EU-BürgerInnen zu verbieten. Demnach kann die zuständige Behörde eine Versammlung künftig dann untersagen, wenn sie „der politischen Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen dient und den anerkannten internationalen Rechtsgrundsätzen und Gepflogenheiten oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen, den demokratischen Grundwerten oder außenpolitischen Interessen der Republik Österreich zuwiderläuft“, wie es im Wortlaut nunmehr heißt. Ist der Auftritt eines ausländischen Politikers oder eines anderen Vertreters eines ausländischen Staates bei einer derartigen Versammlung geplant, liegt es im Ermessen der Bundesregierung, ein Verbot zu verhängen. Die Grundrechte sehen die Regierungsparteien durch die neue Bestimmung nicht verletzt: Auch die Europäische Menschenrechtskonvention erlaube es, die politische Tätigkeit von AusländerInnen bestimmten Beschränkungen zu unterwerfen, wird in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf (2063/A) hervorgehoben.

Rund 40 Stellungnahmen im Begutachtungsverfahren

Dem Beschluss im Ausschuss war ein zweiwöchiges Begutachtungsverfahren vorangegangen. Dabei wurden rund 40 Stellungnahmen abgegeben. Aus diesen habe sich aber kein gravierender Änderungsbedarf ergeben, meinte ÖVP-Abgeordneter Michael Hammer. Einige Einwendungen seien auch unrichtig, Spontanversammlungen würden weiter möglich sein. Laut Hammer wird das Versammlungsrecht durch die Novelle praktikabler und vollzugsfähiger. Ausdrücklich begrüßte er auch die von Sobotka angekündigte Enquete zum Versammlungsrecht: Man müsse sich überlegen, wie man unbeteiligte Dritte besser schützen und die Verantwortlichkeit des Versammlungsleiters präzisieren könne.

Seitens der SPÖ verteidigten Jürgen Schabhüttl und Rudolf Plessl die Novelle. Er könne die Kritik der Opposition nicht nachvollziehen, sagte Schabhüttl. Die Versammlungsfreiheit sei ein hohes Gut und werde nicht angetastet. Vielmehr gehe es um Rechtssicherheit in verschiedenen Fragen. Es müsse im Interesse aller sein, dass politische Auseinandersetzungen im Ausland nicht nach Österreich hereingetragen werden. Auch die Verlängerung der Anmeldefrist und die neue Schutzzone halten er und Plessl für sinnvoll. ÖVP-Sicherheitssprecher Werner Amon wies auf ausdrückliche positive Rückmeldungen seitens der Exekutive im Begutachtungsverfahren hin.

Opposition hält Gesetzesnovelle für nicht notwendig

Zum Teil scharfe Kritik am Gesetz kam hingegen von der Opposition. Er glaube allen, dass sie ein gutes Gesetz wollten, der vorliegende Entwurf sei aber schlecht gemacht, hielt Walter Rosenkranz namens der FPÖ fest und verwies in diesem Zusammenhang auch auf eine negative Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer. Er fürchtet wie die Grünen eine übermäßige Einschränkung des Demonstrationsrechts von AusländerInnen und kritisierte in diesem Zusammenhang den großen Ermessensspielraum der Regierung. Mit dem Argument, sie würden den außenpolitischen Interessen Österreichs zuwiderlaufen, ließen sich viele Versammlungen verbieten.

Auch aus polizeilicher Sicht hält Rosenkranz den Entwurf für nicht erforderlich. Seiner Ansicht nach würde eine konsequente Anwendung der bestehenden Bestimmungen ausreichen. Bereits jetzt könnten Versammlungen verboten werden, wenn die öffentliche Sicherheit, etwa durch eine zu kurzfristige Anmeldung, nicht gewährleistet werden kann. Wichtiger hielte Rosenkranz Maßnahmen, um unbeteiligte Dritte wie GeschäftsinhaberInnen oder AutobesitzerInnen besser vor gewalttätigen DemonstrantInnen zu schützen.

Es gehe nicht um Wahlkampfveranstaltungen, wie stets behauptet, sondern um die politische Tätigkeit Drittstaatsangehöriger, sieht auch Albert Steinhauser (G) ein ähnliches Problem. Gemäß der neuen Gesetzesbestimmung könne jede Demonstration von KurdInnen betroffen sein, auch wenn diese österreichische StaatsbürgerInnen sind, warnte er. Steinhauser fragt sich außerdem, wie eine Behörde entscheiden soll, ob eine Demonstration außenpolitischen Interessen der Regierung zuwiderläuft.

Wenig Verständnis hat Steinhauser auch für die verkürzte Anmeldefrist. Großdemonstrationen könnten wegen einer drohenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit wohl auch jetzt schon verboten werden, wenn sie zu kurzfristig angemeldet würden, machte er geltend. Die 48-Stunden-Frist wird seiner Meinung nach außerdem dazu führen, dass die Zahl von Spontandemonstrationen zunehmen wird.

Von einem „schlecht geschriebenen Initiativantrag“ und „Husch-Pfusch“ sprach auch NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak. Angesichts der Sensibilität des Themas wäre es sinnvoll gewesen, hätte man die vorgesehenen Änderungen im Rahmen der ohnehin geplanten Enquete diskutiert, sagte er. Scherak bezweifelt, dass die vorgesehenen Einschränkungen der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprechen, schließlich sei jener Artikel, auf den sich die Regierungsparteien berufen, nach einhelliger Meinung von ExpertInnen sehr restriktiv auszulegen.

Unzufrieden mit der Novelle ist auch Team-Stronach-Abgeordneter Christoph Hagen. Die 48-Stunden-Frist sei für die Polizei zwar eine Erleichterung, räumte er ein, grundsätzlich würde man das Gesetz in dieser Form aber nicht benötigen. Man könnte die zuständigen Behörden auch durch eine Verordnung sensibilisieren. Hagen sieht in der Novelle außerdem einen Widerspruch zum erst vor kurzem beschlossenen Deregulierungsgrundsätzegesetz, gesetzliche Vorgaben sollten möglichst klar und verständlich sein.

Zahl der Versammlungen in Wien hat sich seit 2010 verdoppelt

Innenminister Sobotka wies darauf hin, dass das Gesetz eine längere Vorlaufgeschichte habe. Nach einer eskalierenden Demonstration am Brunnenmarkt und der Demonstration infolge des fehlgeschlagenen Putschversuchs in der Türkei habe man im Innenministerium Überlegungen angestellt, wie das Versammlungsgesetz novelliert werden könne. Ziel sei es, die bestmögliche Sicherheit für alle zu erreichen, sowohl für die Beteiligten als auch für unbeteiligte Dritte. Zudem gelte es die Menschenrechte umfassend zu sichern, auch jener, die sich an einer Demonstration beteiligen, hob er die Bedeutung einer Pufferzone zwischen DemonstrantInnen und GegendemonstrantenInnen hervor. Sobotka machte überdies darauf aufmerksam, dass sich die Zahl der jährlichen Versammlungen in Wien zwischen 2010 und 2016 von 7.000 auf 14.000 verdoppelt habe.

Großdemonstrationen, wie jene gegen den Akademikerball seien eine logistische Herausforderung für die Polizei, gab Sobotka zu bedenken. Es brauche genügend Zeit für die Organisation. Auch die einwöchige Anmeldefrist von Versammlungen bei Teilnahme ausländischer VertreterInnen hält er in diesem Sinn für notwendig, um den Schutz der Betroffenen sicherzustellen. (Schluss) gs

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