„Heiß umfehdet, wild umstritten“: „Menschen & Mächte“-Doku über die Entstehungsgeschichte der Bundeshymne

Am 25. Oktober um 22.30 Uhr in ORF 2

Wien (OTS) Die „Menschen & Mächte“-Dokumentation „Heiß umfehdet, wild umstritten“ von Wolfgang Stickler beschäftigt sich am Mittwoch, dem 25. Oktober 2017, um 22.30 Uhr in ORF 2 mit der Entstehungsgeschichte der Bundeshymne, dem zentralen Symbol rot-weiß-roter Identität. Die Bundeshymne war ein „Kind“ der unmittelbaren Nachkriegszeit. Ihr Text erhielt 2011 eine gendergerechte Fassung. Welche Melodie trifft den richtigen Ton für Österreich? Welche Verse repräsentieren Land und Leute, Kultur und Charakter seiner Bevölkerung? Der Umgang mit diesen Fragen ist ein Spiegel dessen, wie unser Land funktioniert. Er wirft ein bezeichnendes Licht auf die politischen und gesellschaftlichen Befindlichkeiten der Zweiten Republik.

Spätestens am 15. Mai 1955, dem Tag der Staatsvertragsunterzeichnung, war die österreichische Bundeshymne wirklich allen bekannt. An diesem Tag wurde sie im Radio und auf öffentlichen Plätzen immer wieder gespielt. Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung – so könnte man die politischen Konflikte um ihre Entstehungsgeschichte zusammenfassen. Die ÖVP favorisiert zuerst die Wiedereinführung der alten Kaiserhymne von Joseph Haydn, die, mit verändertem Text, auch im Ständestaat verwendet wurde. Ein für die SPÖ völlig inakzeptabler Vorschlag. Die Sozialisten wollen eher etwas, das die Arbeiterschaft anspricht.

1945, nach der Befreiung vom Nationalsozialismus, war es alles andere als einfach, österreichische Identität neu zu definieren, das Österreichbewusstsein und den langsam erwachenden Patriotismus in passende musikalische und textliche Formen zu gießen. Die mehr verdrängte als aufgearbeitete Vergangenheit stellte die Musiknation Österreich vor große Probleme. Das alte, in der Bevölkerung tief verankerte Lied, die Kaiserhymne von Joseph Haydn, war durch ihre Verwendung in Monarchie, Austrofaschismus und NS-Zeit schwer belastet und politisch nicht durchsetzbar. Parteipolitischer Streit begleitete die Suche nach Alternativen. Man veranstaltete ein Preisausschreiben, das ohne Sieger blieb, griff letztlich auf die Melodie eines nur vermeintlichen Mozart zurück und konnte schließlich mit Paula von Preradović eine Dichterin für den Text gewinnen. Das Ergebnis wollte eigentlich keiner, es tat aber auch niemandem weh. So kam es zum großkoalitionären Kompromiss, einem von ÖVP und SPÖ schließlich abgenickten Provisorium, das bis heute Bestand hat.

Das rot-weiß-rote Selbstbewusstsein steht auf den brüchigen Fundamenten einer Österreich-Konstruktion der unmittelbaren Nachkriegszeit, die auf die Bilderwelten einer biedermeierlichen Landschafts- und Kulturidylle zurückgriff, aber auch auf barocke Habsburger-Nostalgie. Streng genommen eine künstlerische, gesellschaftspolitische und republikanische Realitätsverweigerung. Andererseits sind Musik und Text im Vergleich zu bedeutend pathetischeren Hymnen anderer Länder von nationalistischem Extempore weitgehend frei.

Mit Staatsvertrag und Neutralitätsgesetz etablierten sich zwar neue, kraftvolle nationale Gründungsmythen, die aber mit EU-Beitritt, Globalisierung und wachsender Migration bereits nach wenigen Jahrzehnten wieder obsolet wurden. Bei der textlichen Integration der weiblichen Bevölkerung in das Symbol österreichischer Identität stand das Land am Beginn des 21. Jahrhunderts vor annähernd den gleichen Schwierigkeiten. Begleitet von heftigen Diskussionen zog sich die Einfügung der „großen Töchter“ über mehrere Jahre.

Was bleibt ist die Frage, in welcher Art von Hymne sich Österreich und seine Menschen mehr als 70 Jahre nach Gründung der Zweiten Republik und mehr als 60 Jahre nach dem Staatsvertrag unter völlig neuen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wiederfinden könnten. Eine mögliche Lösung wäre die Europahymne des „Leider-nein-Österreichers“ Ludwig van Beethoven – aber die europäische Identität ist im Land der Berge noch kaum angekommen. Zu groß scheint die Angst vor dem Verlust des „vielgeliebten Österreich“ zu sein. Wolfgang Sticklers Dokumentation kratzt an der patriotischen Fassade der Bundeshymne. Sie zeigt von Haydn bis Christina Stürmer, von Rainhard Fendrich bis Andreas Gabalier, wie die Kulturnation Österreich in ihrem Inneren gestimmt ist. Gelegentlich ist Ironie angebracht – in erste Linie jedoch: genaues Hinschauen. Denn das Hymnen-Problem kann auch als Spiegelung eines Identitätsproblems des „vielgeprüften Österreich“ gedeutet werden.

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