Forschungsausschuss billigt umfangreiche Datenschutz-Novelle für Wissenschaft und Forschung

Kontroverse um Forschungsorganisationsgesetz im Mittelpunkt der Ausschussdebatte

Wien (PK) Mit dem Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018 für den Bereich Wissenschaft und Forschung (WFDSAG 2018) beschäftigte heute der Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung. Besondere Aufmerksamkeit erhielt dabei das Forschungsorganisationsgesetz, welches einen Rechtsrahmen für die Registerforschung und die Verwendung von personenbezogenen „Big Data“ und Mikrodaten in der Forschung schaffen soll. Die Abgeordneten von ÖVP und FPÖ stimmten für die Novelle. Sie stützten sich auf die Aussagen von ExpertInnen des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) und aus dem Wissenschaftsbereich, wonach die neuen Regelungen mehr Rechtssicherheit für die Forschenden bedeuten, die mit personenbezogenen Daten arbeiten. Damit sichere man auch den Forschungsstandort.

Die Oppositionsparteien SPÖ, NEOS und Liste Pilz stimmten hingegen nicht zu. Sie begrüßten die Intention des Gesetzes zwar, waren aber nicht völlig überzeugt, dass eine optimale Umsetzung der Datenschutzrichtlinien erreicht werden konnte. Als Mangel sahen sie die fehlende Interessensabwägung zwischen dem Schutz der persönlichen Daten und den Interessen der Forschung.

Mit der Sammelnovelle werden insgesamt 17 Gesetze an EU-Vorgaben angepasst. Geändert werden mit dem Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018 – Wissenschaft und Forschung (WFDSAG 2018, 68. d.B.) das Austria Wirtschaftsservice-Gesetz, das Bundesgesetz über das Institute of Science and Technology – Austria, das Bundesgesetz betreffend die Akademie der Wissenschaften in Wien, das Bundesgesetz über die Universität für Weiterbildung Krems (DUK-Gesetz 2004), das Fachhochschul-Studiengesetz, das Forschungs- und Technologieförderungsgesetz, das Forschungsorganisationsgesetz, das FTE-Nationalstiftungsgesetz, das Hochschülerinnen- und Hochschülerschaftsgesetz 2014, das Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz, das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz, das OeAD-Gesetz, das Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH-Errichtungsgesetz, das Privatuniversitätengesetz, das Studienförderungsgesetz 1992, das Tierversuchsgesetz 2012 und das Universitätsgesetz 2002.

Besonders das Forschungsorganisationsgesetz enthält mit Regelungen für die „Registerforschung“ wesentliche Neuerungen für die Forschung. Ab 2019 soll Forschungseinrichtungen, aber auch Einzelpersonen unter bestimmten Auflagen der Zugriff auf öffentliche Datenbanken ermöglicht werden. Dazu sollen laut Regierungsvorlage auch Daten der elektronischen Gesundheitsakte ELGA gehören. Der Ausschuss befasste sich mit der Kritik von Datenschutzorganisationen und der Ankündigung von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein, ELGA vom Zugriff ausnehmen zu wollen.

Faßmann: Gesetz garantiert Güterabwägung von Datenschutz und Forschungsinteressen

Wissenschaftsminister Heinz Faßmann wies darauf hin, dass der Verfassungsausschuss bereits am 11. April mit dem Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz einen großen Teil der legistischen Anpassung an die Datenschutz-Grundverordnung der EU verabschiedet habe (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 386/2018). Aufgrund besonderer Anforderungen für die Bereiche Wissenschaft und Forschung wurde ein eigenes Anpassungsgesetz für notwendig erachtet. Dieses sei in ausführlichen Diskussionen mit den Stakeholdern erarbeitet worden. Die Herausforderung liege darin, zwischen den Interessen am Schutz der persönlichen Daten einerseits und dem öffentlichen Interesse an neuen Forschungsergebnissen zu vermitteln. Faßmann zeigte sich überzeugt, dass dies in einer legistisch sauberen Weise gelungen sei. Das Gesetz schaffe Rechtssicherheit für eine legitime Verwendung personenbezogener Daten im Interesse der Wissenschaft und Forschung.

Bundesminister Faßmann erklärte im Ausschuss, es sei nicht angebracht, die Verwendung von personenbezogenen Daten ausschließlich unter dem Aspekt des Datenmissbrauchs zu debattieren. Missbrauch werde klar sanktioniert. Das Gesetz bringe hier zudem deutliche Verbesserungen, da nun Regelungen geschaffen würden, was eine legitime Verwendung von Daten aus öffentlichen Registern sei. Damit erhöhe man die Rechtssicherheit. Keinesfalls könne man davon sprechen, dass der Staat die Daten seiner BürgerInnen für kommerzielle Zwecke verkaufen wolle. Es sei auch ein Missverständnis, dass diese Daten nun für alle freigegeben werden. Vielmehr müsse er sich als Wissenschaftsminister stets mit dem zuständigen Fachminister oder der Fachministerin auf eine Verordnung einigen, um ein Register für die Forschung zu öffnen. Das heiße beispielsweise, dass ohne Zustimmung der Gesundheitsministerin keine Verwendung von ELGA-Daten erfolgen kann.

Die Mehrzahl der als Auskunftspersonen in den Ausschuss geladenen ExpertInnen unterstützte die Sichtweise des Wissenschaftsministers. So betonte der Datenschutzrechts-Experte Sebastian Reimer, das Gesetz wolle die bestehende Praxis auf den neuesten Stand bringen. Bisher bestehende Graubereiche, wie etwa bei der Speicherung von Daten von Biobanken, wurden beseitigt. Die forschenden Einrichtungen müssten mehr Eigenverantwortung übernehmen. Da es beträchtliche Strafdrohungen für die missbräuchliche Verwendung von Daten gebe, sei es umso wichtiger, Rechtssicherheit zu schaffen, damit Innovation nicht behindert werde.

Martin Kocher, Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS) in Wien wies insbesondere auf das Interesse der angewandten Forschung an einer gesetzlichen Regelung hin. Registerdaten haben gerade für Sozial- und Wirtschaftswissenschaften hohe Bedeutung. Mikrodaten sind nach seiner Darstellung beispielsweise notwendig, um Aussagen über die Wirkung von politischen Maßnahmen oder Förderungen überhaupt beurteilen zu können.

Michaela Fritz, Vizerektorin an der MedUni Wien wies auf die Wichtigkeit von personenbezogenen Daten für die medizinische Forschung hin. Rechtssicherheit sei insbesondere notwendig, wenn es um die Weitergabe von anonymisierten Daten an Forschungspartner im Ausland gehe. Das betreffe etwa die Diabetesforschung, die nur mit Big Data neue Therapien entwickeln kann, die Krebsforschung und personalisierte Medizin. Data Sharing bei der Erforschung seltener Krankheiten setze Rechtssicherheit voraus.

Der Rechtswissenschaftler Nikolaus Forgó wies darauf hin, dass unklare Datenschutzbestimmungen bisher oft Probleme für die Anwendung von Forschungsergebnissen ergaben, wodurch diese ungenützt blieben. Die Novelle werde nun Klarheit schaffen und eine regelkonforme Forschung mit personenbezogenen Daten ermöglichen. Keinesfalls werde dabei nun alles erlaubt sein, sondern es müsse ein Interessensausgleich erfolgen.

Weitaus skeptischer, was den Interessensausgleich zwischen Datenschutz und Forschung betrifft, ist Angelika Adensamer, Juristin der NGO „epicenter.works“. Eine brauchbare Regelung für den Umgang mit personenbezogenen Daten müsste anders aussehen, ist sie überzeugt. Man öffne vielmehr einer Kommerzialisierung von Registerdaten Tür und Tor, da keine praktikable Interessenabwägung im Gesetz in der derzeitigen Formulierung enthalten sei. Ihrer Ansicht nach könnte mit den geplanten Bestimmungen beispielsweise auch Facebook problemlos den Zugang zu Gesundheitsdaten beantragen. Die Anwendung der Öffnungsklauseln, mit denen die EU den Nationalstaaten Spielraum für nationale Regelungen gibt, erfolge unverhältnismäßig. Adensamer zählte eine Reihe von aus ihrer Sicht bestehenden Mängeln auf, etwa das Fehlen einer konkreten Überprüfung der Notwendigkeit einer Verwendung von Daten für ein Forschungsvorhaben, unklare Regeln für die Pseudonymisierung und fehlende Opt Out-Möglichkeiten. Rechtssicherheit sei damit nicht gegeben, es bestehe im Gegenteil die Möglichkeit einer Klagswelle gegen das neue Gesetz, warnte sie.

ÖVP und FPÖ sehen gute gesetzliche Basis im Interesse des Innovationssystems

Gute Lösungen im Sinne des Interessensausgleichs von Forschung und Datenschutz sahen die Abgeordneten der Koalitionsparteien im Gesetz. Eva Maria Himmelbauer wies darauf hin, dass die Information der WissenschaftlerInnen und ForscherInnen über die neue gesetzliche Lage wichtig sei. Bundesminister Faßmann sagte zu, dass sein Ressort diese selbstverständlich anbieten werde. Aus Sicht von Josef Smolle und Peter Weidinger (beide ÖVP) ist es wichtig, bessere Voraussetzungen für eine personalisierte Medizin zu schaffen. Maria Theresia Niss (ÖVP) sagte, die Anwendung der Öffnungsklauseln sei EU-rechtkonform erfolgt, Österreich könne damit im Wettbewerb besser bestehen.

Axel Kassegger und Gerhard Deimek (FPÖ) betonten ebenfalls, dass sie auf die Meinung der ExpertInnen vertrauen, wonach die Umsetzung rechtskonform erfolgt sei. Österreich habe nun bessere Voraussetzungen bei seinen Bemühungen, zu den Innovation Leaders aufzurücken.

Oppositionsparteien hegen Datenschutzbedenken

Mängel bei der Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung der EU sahen die Abgeordneten der Oppositionsparteien. Für SPÖ-Wissenschaftssprecher Philip Kucher ist die angeführte Definition von wissenschaftlichen Einrichtungen im Gesetz zu schwammig, eine Sichtweise, die auch seine Fraktionskollegin Sonja Hammerschmid teilt. Für Walter Bacher sind die Vorkehrungen für den Datenschutz nicht ausreichend, das Recht der Menschen auf ihre Daten werde stark beschränkt. Die Novelle sei zwar zweifellos wichtig für Wissenschaft und Forschung, erklärten die Abgeordneten der SPÖ, sie müsse aber noch Präzisierungen erfahren.

NEOS-Wissenschaftssprecherin Claudia Gamon hegte Zweifel, ob die Verhältnismäßigkeit bei der Verwendung von personenbezogenen Daten gewahrt bleibe. Rechtssicherheit sei zweifellos wichtig. Die Frage, ob die Regelungen tatsächlich mit der Datenschutz-Grundverordnung übereinstimmen, müsse daher geklärt werden, da andernfalls ernste Konsequenzen für den Wissenschaftsstandort drohten. So könnte etwa die Kooperation von österreichischen ForscherInnen mit ausländischen Partnereinrichtungen behindert werden.

Stephanie Cox von der Liste Pilz sah die Kritik, die von NGOs an dem Gesetz geäußert wurde, als gerechtfertigt. Ausreichender Datenschutz sei so nicht gewährleistet. So wäre es möglich, bei einer Verwendung von mehreren Registern trotz Pseudonymisierung oder Anonymisierung Rückschlüsse auf eine konkrete Person zu ziehen. Ein besonderes Manko ist für sie, das kein Opt Out für die Verwendung personenbezogener Daten vorgesehen ist. (Schluss) sox

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