EU will mehr Schutz für Whistleblower und leichtere Umstrukturierung von Firmen

Wirtschaftssicht und Arbeitnehmerinteressen prallen im EU-Ausschuss des Bundesrats aufeinander

Wien (PK) Dieselgate, Luxleaks und die Panama Papers haben jetzt ein politisches Nachspiel. Die Europäische Kommission prescht mit einem Richtlinienentwurf vor, um bei Korruptionsskandalen die HinweisgeberInnen – sogenannte WhistleblowerInnen – vor Repressalien besser zu schützen. So müssten Vergeltungsmaßnahmen geahndet werden, bei einem Gerichtsverfahren wären AufdeckerInnen von der Haftung für offengelegte Informationen zu befreien.Im Sinne der Vertraulichkeit will die EU-Kommission zudem klare organisationsinterne und -externe Meldekanäle installiert wissen. Behörden seien zu verpflichten, Missständen auf den Grund zu gehen.

Der EU-Ausschuss des Bundesrats diskutierte heute das Maßnahmenpaket gemeinsam mit Vertretern von Außenministerium, Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer. Die Einigkeit war enden wollend: während die SPÖ einen ordentlichen Schutz für HinweisgeberInnen einmahnte, fürchtet die ÖVP eine völlige Überwachung von Unternehmen, die unzufriedenen MitarbeiterInnen schutzlos gegenüberstehen.

Der Kampf gegen Korruption kam auch zur Sprache, als sich der Ausschuss dem grenzüberschreitenden Handel im Binnenmarkt widmete. Zur Förderung der unternehmerischen Mobilität sowie als Schlag gegen Briefkastenfirmen skizzierte die Kommission ein einheitliches Regelwerk für grenzüberschreitende Unternehmensumstrukturierungen. Während die Wirtschaftskammer erleichterte Betriebsveränderungen begrüßt, fürchtet die Arbeiterkammer dabei um die Rechte der betroffenen MitarbeiterInnen.

Ausschussvorsitzender Christian Buchmann berichtete eingangs vom letzten COSAC-Treffen in Bulgarien, wo die VertreterInnen der nationalen EU-Ausschüsse Komissionsvizepräsidenten Frans Timmermans für die Bedeutung der Subsidiarität sensibilisierten, wie Buchmann sagte. Besonders die Praxis delegierter Rechtsakte seitens der Europäischen Kommission sei dabei Thema gewesen.

Aufdeckerschutz im öffentlichen Interesse

„Illegale Tätigkeiten und Rechtsmissbrauch können in allen Organisationen auftreten, gleichgültig, ob es sich um private oder öffentliche, große oder kleine Organisationen handelt“. Das hält die Europäische Kommission in ihrem Vorschlag zum wirksameren Schutz jener Personen fest, die Fälle von Korruption, Betrug oder Fahrlässigkeit melden. Laut Richtlinienentwurf müssen alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten oder einem Jahresumsatz von mehr als 10 Mio. € ein internes Verfahren für den Umgang mit Meldungen von HinweisgeberInnen einführen. Bund und Länder sowie Gemeinden mit mehr als 10.000 EinwohnerInnen würden ebenfalls von der neuen Richtlinie erfasst.

Hinweise engagierter MitarbeiterInnen sorgten nämlich dafür, die Öffentlichkeit vor Fehlverhalten zu bewahren, so die Kommission, die überdies auf die EU-Grundrechte der freien Meinungsäußerung und der Medienfreiheit hinweist. Ein mangelnder Hinweisgeberschutz in der EU könne darüber hinaus die Durchsetzung des EU-Rechts beeinträchtigen, weil Whistleblowing häufig erst eine wirksame Aufdeckung, Untersuchung und Verfolgung von Verstößen gegen EU-Vorschriften auf nationaler und europäischer Ebene ermögliche. Schlussendlich sei der investigative Journalismus, dem die Kommission eine „Wächterrolle“ zuschreibt, von HinweisgeberInnen abhängig. Derzeit hätten die Mitgliedsstaaten den Whistleblowerschutz allerdings sehr unterschiedlich stark im nationalen Recht verankert, heißt es im Legislativvorschlag, der anhand EU-weiter Mindeststandards mehr Schutz bei Meldungen von Verstößen sicherstellen will.

Zum Tragen kommen soll der unionsweite Schutz in den Bereichen öffentliche Auftragsvergabe, Finanzdienstleistungen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Produktsicherheit, Verkehrssicherheit, Umweltschutz, kerntechnische Sicherheit, Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz, öffentliche Gesundheit, Verbraucherschutz, Schutz der Privatsphäre, Datenschutz und Sicherheit von Netz- und Informationssystemen. Die neuen Vorschriften sollen außerdem bei Verstößen gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften und die Körperschaftsteuer-Vorschriften sowie bei Schädigungen der finanziellen Interessen der EU zur Anwendung kommen.

Wirtschaft fürchtet Missbrauch der Meldesysteme

Österreich habe entsprechende Schutzregelungen für Whistleblower schon bei Finanzdienstleistungen und Geldwäsche umgesetzt, informierte ein Rechtsexperte aus der Wirtschaftskammer den Ausschuss. Weiters existiere eine Whistleblower-Hotline der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), jedoch würden von der Staatsanwaltschaft die meisten Beschwerden ohne Anzeige zurückgelegt, warnte der Wirtschaftskammervertreter vor „Denunziantentum“, dem Betriebe nichts entgegensetzen könnten, sollte die Richtlinie in Kraft treten. Außerdem ergäbe sich dadurch ein überschießender Verwaltungsaufwand für die Firmen, kleinere Unternehmen würden überhaupt nicht vor der Veröffentlichung angeblicher Malversationen geschützt.

Der Kommissionsvorschlag sieht nämlich ein dreigliedriges Meldesystem vor, das neben internen Meldekanälen auch die Informationsweitergabe an die Behörden umfasst, falls Compliance-Systeme nicht genutzt werden können. Meldungen an die Öffentlichkeit beziehungsweise an die Medien gelten ebenfalls als schutzwürdig, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses oder die Gefahr eines irreparablen Schadens besteht. Unternehmen und Behörden will die Kommission verpflichten, innerhalb von drei Monaten auf Meldungen von Missständen zu reagieren und sie weiterzuverfolgen.

Ist ein/e Hinweisgeber/in von Repressalien wie einer Entlassung oder Zurückstufung bedroht, soll er oder sie Zugang zu kostenloser Beratung erhalten. Die Beweislast sei umzukehren, sodass die von der Meldung betroffene Person oder Organisation nachweisen muss, dass sie keine Vergeltungsmaßnahmen gegen den Whistleblower ergreift. Kommt der Fall zu Gericht, wären HinweisgeberInnen nicht für die Offenlegung von Informationen zur Verantwortung zu ziehen.

Ähnlich wie die Wirtschaftskammer steht auch Sonja Zwazl (ÖVP/N) sehr kritisch zu dem Kommissionsvorschlag. „Gläserne Unternehmen“, die einer „totalen Überwachung“ unterliegen wären die Konsequenz, sagte sie im Einklang mit Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O), der massive Auswirkungen auf die Mitgliedstaaten ortet. Die FPÖ hegt weniger Befürchtung, unzufriedene ArbeitnehmerInnen würden häufig Meldesysteme missbrauchen; nicht alles müsse eine „Vernaderung“ sein, meinte Georg Schuster (FPÖ/W). Die SPÖ stellte sich gänzlich auf die Seite der Whistleblower. Michael Lindner (SPÖ/O) erinnerte an die Aufdecker von Luxleaks, die nun Haftstrafen zu verbüßen hätten oder an die Ermordung investigativer JournalistInnen in Malta und der Slowakei, und folgerte, „es ist gut und wichtig, dass es diese Initiative gibt!“. Hubert Koller (SPÖ/St) hob zudem die Bedeutung von Meldungen über gesundheitliche Missstände hervor.

Österreich werde sich im Rahmen des Ratsvorsitzes im nächsten Halbjahr jeden Monat mit dem Whistlblowerschutz-Vorschlag befassen, wies der künftige Leiter der zuständigen Ratsarbeitsgruppe für Grundrechte auf den großen Diskussionsbedarf hin. Ein Abschluss der Verhandlungen bis Jahresende sei nicht vorgesehen.

Neuer Plan für Umstrukturierungen stößt vielfach auf Missfallen

Der Richtlinienentwurf für grenzüberschreitende Unternehmensumstrukturierungen und -veränderungen wird von der Wirtschaft hingegen großteils positiv aufgenommen. Mit einem klaren Rechtsrahmen will die Europäische Kommission Hindernisse für grenzüberschreitende Wirtschaftsaktivitäten abbauen und dabei einen Missbrauch von Firmenauslagerungen unterbinden. Konkret sagt die Kommission Briefkastenfirmen als Resultat grenzüberschreitender Reorganisationen den Kampf an. Aus Sicht der Arbeiterkammer (AK) geht dieses Kommissionvorhaben ins Leere, denn mit Ausnahmebestimmungen für Kleinstfirmen öffne der Vorschlag Tür und Tor für die Schaffung von Briefkastenfirmen, deren Charakteristikum eine kleine gemeldete Mitarbeiterzahl sei, sagte im Ausschuss ein AK-Vertreter.

Darüber hinaus meldete er große Bedenken hinsichtlich der innerbetrieblichen Mitbestimmungsrechte von ArbeitnehmerInnen an, wenn ein Firmensitz in einem anderen EU-Land registriert wird. Immerhin verfügten die Mitgliedstaaten über unterschiedlich stark ausgeprägte Arbeitnehmerrechte, bestätigte die Fachexpertin des Justizministeriums (BMVRDJ), die außerdem auf steuerrechtliche Unterschiede aufmerksam machte. Zwar knüpfe die Besteuerung vor allem am Betriebssitz an, die Steuer auf Zinsen und Lizenzen sei dennoch abhängig vom Registersitz. Unklarheiten bestünden darüber hinaus bei Insolvenzfällen, da Gläubiger nicht überall die gleichen Kapitalforderungen stellen könnten.

Die Europäische Kommission betont in ihrem Entwurf, grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen von Betrieben gehörten zu deren natürlicher Entwicklung. Nur so könnten sich die Unternehmen vergrößern, sich an ein wandelndes Umfeld anpassen und neue Märkte erkunden. In diesem Zusammenhang seien allerdings ArbeitnehmerInnen, GläubigerInnen und GesellschafterInnen zu schützen, besonders im Kontext der fortschreitenden Globalisierung. Diese Maßnahmen würden zu einem vertieften und faireren Binnenmarkt beitragen.

Eine funktionierende Mobilität im Binnenmarkt brauche „faire Verhältnisse“, appellierte der AK-Experte, gerade in Hinblick auf Arbeitnehmerrechte einen EU-weit einheitlichen Rahmen sicherzustellen. Das würde auch im Sinne eines korrekten Wettbewerbs sein, stimmte er mit Ausschussvorsitzendem Christian Buchmann (ÖVP/St) überein.

Förderung der Mobilität von Unternehmen

Zum einen soll es Betrieben mit der vorgeschlagenen Richtlinie in rechtlicher und finanzieller Hinsicht erleichtert werden, mobil zu werden, also Umwandlungen, Spaltungen und Verschmelzungen grenzüberschreitend vorzunehmen. Zum anderen will man der Gründung betrügerischer Briefkastenfirmen mit einheitlichen Verfahren vorbeugen. Als schlimmsten Fall von Missbrauch sieht die Kommission Briefkastenfirmen, die von organisierten kriminellen Vereinigungen dazu genutzt werden, die wirtschaftlichen Eigentümer von Gesellschaften zu verschleiern, um Erträge aus Straftaten zu waschen. Martin Preineder (ÖVP/N) befand dennoch, die Richtlinie schaffe Rechtsunsicherheit und gebe damit Briefkastenfirmen mehr Raum. Angesichts der – gerade in finanzrechtlicher Hinsicht – großen Komplexität, die Georg Schuster (FPÖ/W) ansprach, sind nach Dafürhalten des Justizministeriums noch viele Debatten auf europäischer Ebene zu erwarten. Zumal die Mitgliedsländer höchst unterschiedliche Interessen in der Angelegenheit hätten, wie die BMVRDJ -Vertreterin erklärte.

Zu den Verfahrensschritten, die die Kommission bei grenzüberscheitenden Neuorganisationen andenkt, gehören die Erstellung von Berichten über die genauen Veränderungspläne und über deren Auswirkungen. Die Mitbestimmungsrechte der ArbeitnehmerInnen seien im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben sicherzustellen, heißt es im Entwurf, ebenso müsse die Gesellschafterversammlung der Formänderung zustimmen. In den Unternehmensregistern der beteiligten Länder wäre eine betriebliche Umwandlung, Verschmelzung oder Spaltung offenzulegen, wobei die Kommission die Digitalisierung gesellschaftsrechtlicher Verfahren vorantreiben möchte. (Fortsetzung EU-Ausschuss) rei

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