Erstinstanzliches Urteil im Amtshaftungsfall „Autokratzerin“ – Mehr als 1000 Sachbeschädigungen mit rund 1 Mio Schaden

Ein monatlicher Präventiveinsatz der Polizei genügt laut Gericht

Graz (OTS) - Seit 2010 zerkratzt eine psychisch kranke Frau im Durchschnitt beinahe jeden zweiten Tag ein Auto auf öffentlichen Straßen in Graz. Die zurechnungsunfähige Täterin kann nicht in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher untergebracht werden. Staatsanwaltschaft und Gerichten sind die Hände gebunden. Die Sachwalterin ist für eine Bewachung nicht zuständig. Das Vermögen wurde bereits zur Deckung der ersten Schäden aufgebraucht. Die einzelnen Autobesitzer bleiben auf ihren Schäden sitzen.

Die Legal Clinic der Karl Franzens Universität Graz unter Leitung des Rechtsanwalts und Universitätsprofessors für Öffentliches Recht, Georg Eisenberger, nimmt sich scheinbar aussichtlosen Fällen an. Hoch qualifizierte, sozial engagierte Studierende betreuen unter Aufsicht und Anleitung kostenlos reale Rechtsfälle. Fälle, bei denen sich Betroffene ein Verfahren wegen des finanziellen Aufwandes und der Komplexität ansonsten nicht leisten könnten. Im Frühjahr wurde nach monatelanger Vorbereitung in der Legal Clinic eine Amtshaftungsklage als Musterfall für eine Geschädigte beim Landesgericht eingebracht. Unterstützt wurde die Legal Clinic dabei pro bono, also kostenlos, von Anwältin Mag Ruth Ladeck, Expertin für Amtshaftungsverfahren in der Kanzlei Eisenberger & Herzog.

"Amtshaftung bedeutet vereinfacht, dass der Staat für Schäden haftet, die seine Organe durch vorwerfbare Fehler verursachen", erklärt Ruth Ladeck. Das Landesgericht als erste Instanz hat eine solche Haftung des Staates für die Sicherheitspolizei im Fall der Autokratzerin verneint. Die Polizei sei nicht untätig gewesen. Nach eigenen Angaben sei die Polizei immerhin einmal im Monat Streife gefahren. Mehr hätte die Polizei nicht tun können. Andere Maßnahmen wären unverhältnismäßig gewesen. Außerdem hätte die Polizei dafür nicht genug Personal gehabt, so die zusammengefasste Begründung des Gerichts.

Die Legal Clinic hat gegen dieses Urteil nun Berufung erhoben. Begründend dazu heißt es in der Berufung: "Im Gesetz steht nicht, dass die Polizei nur einmal im Monat zur Verhinderung von bestimmten Straftaten verpflichtet ist.  Verhindert muss immer und auch dann werden, wenn der Täter nicht eingesperrt werden kann. Gerade wenn jemand nicht eingesperrt werden kann, obwohl er gefährlich ist, müsste die Polizei besonders intensiv aufpassen, dass Straftaten erst gar nicht passieren." Der Begründung des Gerichts, andere Maßnahmen (wie zB Handyortung, Fußfessel) wären als persönlicher Eingriff unverhältnismäßig gewesen, setzt Prof. Eisenberger entgegen: "Andere Maßnahmen wären gar nicht notwendig gewesen. Die Polizei hätte die anerkannt zulässige Maßnahme der Streifenüberwachung einfach nur durchgehend vornehmen müssen. Die Täterin im Auge hätten sie die konkrete ebenso wie mehr als tausend andere Sachbeschädigungen ganz einfach verhindern können - und auch müssen. Das ist der Job der Polizei." Das Argument des Personalmangels lässt der Spezialist für öffentliches Recht nicht gelten: "Wenn der Staat zu wenig Personal zur effektiven Verhinderung von Straftaten zur Verfügung stellt, haftet er für Organisationsverschulden. Im Ergebnis würden sonst den einzelnen Geschädigten die Kosten aufgebürdet, die in der Solidargemeinschaft Staat von allen anteilig gezahlt werden müssen.

Die Entscheidung liegt nun beim Oberlandesgericht Graz. Ein weiterer Rechtszug zum OGH wäre wegen des geringen Streitwertes des Einzelfalls leider nicht möglich. Mit einer Prognose hält sich Prof. Eisenberger bedeckt: "Das Ziel unserer Arbeit ist es, auf sozial brennende Rechtsprobleme im Bereich des öffentlichen Rechts aufmerksam zu machen. Erfolg haben wir als Legal Clinic, wenn sich in der Realität etwas ändert. Ob das passiert liegt nun auch in der Verantwortung des Berufungsgerichts. "

Über die Legal Clinic für öffentliches Recht und Umweltrecht

Die Legal Clinic für öffentliches Recht und Umweltrecht ist ein Ausbildungsprogramm der Karl-Franzens-Universität Graz für hochqualifizierte, sozial engagierte Studierende des Studiums der Rechtswissenschaften. Unter Aufsicht und Anleitung von Univ.-Prof. Prof.(eh) Dr. Georg Eisenberger, einem der führenden Anwälte Österreichs im Bereich des Öffentlichen Rechts und Umweltrechts, werden von der Legal Clinic aktuelle und reale Rechtsthemen betreut.

Mehr Infos finden Sie hier. 

Rückfragen & Kontakt:

Univ.-Prof. Dr. Georg Eisenberger
T: +43 316 3647-226
E: g.eisenberger@ehlaw.at



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