Digitalisierung: Reflexion als Faktor, Regulierungszugänge und ein dritter, europäischer Weg

Wissenschaft und Politik im Austausch über Digitalisierungsfragen im Parlament

Wien (PK) Reflexion als wichtigen Faktor in der Digitalisierung – einerseits im Zusammenhang mit dem Austausch zwischen Wissenschaft und Politik, aber auch durch möglichst frühe Bildung – hob Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka beim heutigen Pressegespräch im Anschluss an das Dialogformat „Wissenschaft und Politik im Gespräch“ hervor. Digitale Kompetenzen seien wesentlich, auch im Hinblick auf einen so bezeichneten dritten, europäischen Weg zwischen den Freiheiten der USA und den Regulierungen Chinas.

Die Gesprächsreihe wurde von Nationalratspräsident Sobotka und Anton Zeilinger, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) initiiert und fand heute bereits zum zweiten Mal statt. Zentrales Anliegen ist dabei der Austausch zwischen Wissenschaft und Politik. Im Mittelpunkt des heutigen Dialogs, den WissenschafterInnen und MandatarInnen führten, standen die Felder Gesundheit, Gesellschaft, Nachhaltigkeit und Wirtschaft, und zwar jeweils im Hinblick auf das Thema Digitalisierung.

In dem daran anknüpfenden Pressegespräch nahmen neben Sobotka und Zeilinger auch Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts für Digital Engineering, und Barbara Prainsack, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Wien, zu Digitalisierungsfragen Stellung.

Sobotka: Möglichst früh digitale Kompetenzen vermitteln

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka berichtete von einer regen Diskussion im Rahmen des heutigen Wissenschaftsfrühstücks. Das Dialogformat zwischen WissenschafterInnen und MandatarInnen sei auch insofern wichtig, als beide Seiten jeweils Einblicke bekommen, wie die jeweils andere „tickt“. Wissenschaft könne dabei einen Reflexionsprozess auslösen, sieht Sobotka einen klaren Qualitätsgewinn in dem Austausch.

Was das Bildungssystem betrifft, ist es Sobotka ein Anliegen, jungen Menschen möglichst früh bzw. ab dem Schuleintritt digitale Kompetenzen mitzugeben. Wichtig sei auch hier die Reflexion, sonst bleibe es immer nur beim Anwendungsmodus, etwa was die permanente Produktion von Daten betreffe, ohne zu wissen, was genau damit passiere oder inwiefern sie später den Berufseinstieg tangieren können. Digitale Kompetenzen seien auch im Hinblick auf einen so bezeichneten dritten, europäischen Weg zwischen den Freiheiten der USA und den Regulierungen Chinas wesentlich. Zur Frage der Regulierung bzw. des Einsetzens von Politik im Zusammenhang mit Innovationen bestehe wohl ein großer Diskussionsraum, so der Nationalratspräsident. Aus seiner Sicht wäre Innovation möglichst zuzulassen und erst dort zu regulieren, wo dies vernünftig sei.

Zeilinger spricht sich für breites Spektrum in der Bildung aus

Der persönliche Austausch – wie beim heutigen Dialogformat – ist für ÖAW-Präsident Anton Zeilinger eine wichtige Möglichkeit, um neue Entwicklungen in Forschung und Gesellschaft zu diskutieren. Aufgabe von Wissenschaft und Politik müsse sein, ein Bewusstsein für die Chancen, aber auch für die Risiken der Digitalisierung zu schaffen, basierend auf dem aktuellsten Stand der Forschung. Zum Thema Bildungswesen und Digitalisierung sprach er sich zum Beispiel für mehr Diversität und ein möglichst breites Spektrum an Bildungsangeboten aus. Dabei sei es gerade im digitalen Zeitalter wesentlich, die Fähigkeit kritisch zu denken, zu reflektieren und kreativ zu sein zu fördern, so Zeilinger.

Meinel schlägt für Regulierungen „Verfallsdatum“ vor

Gerade die Digitalisierung sei ein Thema, das breiter diskutiert werden müsse, begrüßte der Direktor des Hasso-Plattner-Instituts Christoph Meinel das Dialogformat zwischen Wissenschaft und Politik. Junge Menschen seien mit der Digitalisierung aufgewachsen, während ältere Generationen die Möglichkeiten der Nutzung erlernen müssten, gab Meinel zu bedenken. Die Frage der Regulierungsmöglichkeit durch die Politik setze grundsätzliches Verständnis voraus. Aber der rasante technologische Fortschritt führe auch dazu, dass sich die Technik bereits überholt haben kann, bevor es zu einer Regulierung kommt. Natürlich müsse seitens der Politik reguliert werden, so Meinel. Hier würde er sich aber eine Art Verfallsdatum wünschen, um nach gewisser Zeit zu schauen, was die Maßnahme gebracht habe. 

Im Gesundheitswesen sieht Meinel einen ganz grundsätzlichen Paradigmenwechsel, weg von „Kranke behandeln“ hin zum „gesund bleiben“. Er hält es im Hinblick auf Daten von Instrumenten – die helfen zu wissen, wie der Körper funktioniert – eigentlich für sinnvoller, den gesunden Menschen zu beobachten, um dann zu sehen, was im Krankheitsfall anders ist. Mit der Politik gelte es, zu diskutieren, wie das Gesundheitssystem der Zukunft organisiert sein kann.

Für die Schule geht es aus Sicht des Experten darum, etwa dem Datenschutz entsprechende Arbeitsbedingungen zu schaffen. So könne statt einer komplizierten, schriftlichen Zustimmung zur Verwendung von Lernsoftware etwa Pseudonymisierung zum Einsatz kommen.

Prainsack: Kreativität und Kritikfähigkeit fördern

Automatisierung, Digitalisierung und Datafizierung seien drei unterschiedliche Aspekte im Gesundheitswesen, unterstrich Barbara Prainsack, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Automatisierung betreffe die Sorge der Menschen um ihre Jobs, was sich wohl nicht allein durch eine Technologie-Diskussion lösen lasse. Unter Digitalisierung subsummiert sie die Möglichkeit, analoge Daten digital verfügbar zu machen. Jener Aspekt, der Angst schaffe, sei die „Datafizierung“, nämlich das Aufzeichnen von Tätigkeiten über den Körper.

Mit einem „Rückgang der strukturellen Privatsphäre“ durch Technologie gehe auch das Gefühl eines Kontrollverlusts einher. Hier sieht Prainsack einen Auftrag an die Gesetzgebung, den Wandel zu gestalten. Digitalen Technologien und Praktiken misst sie eine sehr wichtige Rolle zu, es gelte aber, abzuwägen. Was die Zukunft der Arbeit betrifft, stelle sich ein Trend heraus, dass Unternehmen wieder in stabilere Länder gehen, wenn Maschinen Arbeit übernehmen und billige Arbeitskräfte nicht mehr benötigt würden. Im Hinblick auf den Umgang mit digitalen Technologien sprach sich die Expertin ebenfalls dafür aus, Kreativität und Kritikfähigkeit zu fördern und die grundsätzliche Frage zu stellen, wie sinnvolle menschliche Kontrolle erhalten werden soll und kann.

Die Moderation beim Pressegespräch übernahm Anna Goldenberg (Falter). Den Abschluss des heutigen Tages im Zeichen der Digitalisierung bildet im Festsaal der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein öffentlicher Abendvortrag von Christoph Meinel über „Digitale Transformation – Zukunft gestalten“. (Schluss) mbu

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/SERV/FOTO/ARCHIV.


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