Bundesrat: Kinderrechte in öffentlichen Einrichtungen brauchen politische Aufmerksamkeit

Sonderbericht der Volksanwaltschaft zu Kindern und ihren Rechten weist auf Mängel von Betreuungseinrichtungen hin

Wien (PK) - Allgemeine Anerkennung zollten die Bundesrätinnen und Bundesräte dem Sonderbericht der Volksanwaltschaft zum Thema Kinder und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen (III-55 d.B. und III-635-BR/2017 d.B.), der Ende 2017 dem Parlament vorgelegt wurde. Die Volksanwaltschaft weist darin auf verschiedene Schwachpunkte des Systems der öffentlichen Fürsorge hin. Einerseits ist die Zahl an fremd untergebrachten Kindern und Jugendlichen weiter im Steigen begriffen, andererseits gebe es Gesetzesmängel und in den Einrichtungen zahlreiche Umsetzungsprobleme, Ausbildungs- und Professionsdefizite bzw. Kommunikationsschwierigkeiten. Immer wieder komme es in Heimen auch zu Gewalt und zu Fällen von sexuellem Missbrauch, halten die VolksanwältInnen fest. Als besonders wichtig wird von der Volksanwaltschaft der Kontakt zwischen den Kindern und den Eltern bewertet. Dieser werde oft erschwert, wie etwa durch Unterbringungen in anderen Bundesländern.

Seit 2012 ist die Volksanwaltschaft laut Verfassung als Nationaler Präventionsmechanismus(NPM) mit dem Schutz der Menschenrechte in Österreich beauftragt. Das umfasst auch die Frage der Einhaltung der Kinderrechte, die 2017 den Schwerpunkt ihrer Arbeit bildete. In den Bericht fließen daher die Erfahrungen ein, die bei unangekündigten ExpertenInnenbesuchen im Laufe von fünf Jahre der Tätigkeit des NPM gemacht wurden. Viele der festgestellten Fehler wären vermeidbar gewesen, stellt das Prüforgan fest. Positiv festzuhalten sei aber, dass in den Einrichtungen die Bereitschaft zur Problemeinsicht steige.

Die Volksanwaltschaft befasste sich auch eingehend mit der Verantwortung der Republik gegenüber Heimopfern. Das Heimopferrentengesetz ist aus Sicht der Volksanwaltschaft jedenfalls novellierungsbedürftig. Es sei nicht gelungen, die staatliche Geste der Verantwortung auf alle bekannten Opfergruppen zu erstrecken. Das derzeitige Verfahren lasse eine rasche Klärung nicht zu, heißt es im Bericht.

BundesrätInnen sehen politischen Handlungsbedarf für einheitliche Betreuungsstandards

Kinderrechte in öffentlichen Einrichtungen sind ein besonders sensibles Thema, betonte Marianne Hackl (ÖVP/B). Leider fehlen bei vielen Einrichtungen Konzepte für Sexualpädagogik und Gewaltprävention. Diese müssten auf jeden Fall zur Voraussetzung für die Anerkennung einer sozialpädagogischen Einrichtung sein. Was das Burgendland betreffe, so würden auffällig oft Kinder in anderen Bundesländern untergebracht, während viele Kinder aus anderen Bundesländern in burgenländischen Einrichtungen betreut werden. Hackl vermutete dahinter ein ökonomisches Motiv, da in diesen Fällen Aufschläge gefordert werden können. Eine Unterbringung nahe dem Wohnort sei jedenfalls zu bevorzugen. Hackl kritisierte auch die erlaubte Größe von Gruppen in Wohneinrichtungen, die im Burgenland bei 16 liegt. Kleingruppen wären hier besser. Mängel sieht Hackl ferner bei den Angeboten der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Für Kinder und Jugendliche mit Behinderung gebe es vielfach das Problem mangelnder Fördermöglichkeiten gerade für Lernhilfe. Bei allen diesen Fragen dürfe man nicht wegschauen und Problembewusstsein schaffen, betonte die Bundesrätin. Die Volksanwaltschaft leiste hierzu einen wichtigen Beitrag.

Auch Daniela Gruber-Pruner (SPÖ/W) unterstrich, dass sich der Bericht der Volksanwaltschaft einer besonders verletzlichen Gruppe in der Gesellschaft widmet - den Kindern und Jugendlichen in öffentlicher Betreuung. Leider bestehe nach wie vor die Gefahr, dass sich gerade in den damit beauftragten Einrichtungen institutionalisierte Gewalt breitmacht. Eine wichtige Präventionsmaßnahme, die erst vereinzelt erprobt werde, seien externe Vertrauenspersonen. Wichtig sei auch eine angemessene Ausbildung des Personals und angemessene Unterbringung. Das sei aber nicht zuletzt eine Ressourcenfrage, ebenso wie die Ausweitung des ambulanten Angebots für die psychiatrische Behandlung sowie die Versorgung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Der Bericht zeige auf, dass es leider immer noch nicht möglich ist, allen Kindern und Jugendlichen optimale Bedingungen zu bieten. Der menschenrechtswidrige, da dem Gleichheitsgrundsatz zuwiderlaufende Zustand unterschiedlicher Standards der Kinder- und Jugendhilfe in den einzelnen Bundesländern müsse beseitigt werden. Hier sei die Politik gefordert, sagte Gruber-Pruner. Wichtig ist für sie auch mhr Mitbestimmung der Kinder und Jugendlichen. Dazu müssten diese jedoch ihre Rechte kennen. Das Hilfsangebot für junge Erwachsene von 18 bis 21 Jahren sei ebenfalls auszubauen.

Manche Familien können ihren Kindern nicht das bieten, was sie brauchen, weshalb die Gesellschaft einen Ausgleich schaffen müsse, sagte Rosa Ecker (FPÖ/O). Bedenklich ist es für sie jedoch, wenn die Zahl der Kinder, die in sozialpädagogischen Einrichtungen oder Pflegefamilien untergebracht werden müssen, stetig ansteigt. Hier sei zu fragen, was in der Gesellschaft falsch laufe und was man dagegen tun könne. Kinder wüssten übrigens selbst sehr gut, was sie an Schutz und Fürsorge brauchen. Wichtig sei für sie daher die Möglichkeiten zu Teilhabe und Mitbestimmung. Der Kontakt mit den leiblichen Eltern ist laut Ecker ebenso wichtig wie die Betreuung durch bestens ausgebildete Personen, welche auf ihre ganz besonderen Bedürfnisse eingehen können. Oberösterreich sei ein Vorbild mit dem Bemühen, Kinder vorrangig bei Pflegeeltern unterzubringen, um ihnen möglichst eine Familienstruktur zu bieten. Um Gewalt und sexuellen Missbrauch zu verhindern, brauche man neben gut ausgebildetem Personal auch die Einführung einer externen Vertrauensperson. Ecker hofft, dass hier bundesweit einheitliche Standards umgesetzt werden können. Bedenklich sei, dass immer mehr junge Menschen sehr früh Erfahrungen mit der Justiz machen. Hier müsse mehr Augenmerk auf ihre Resozialisierung gelegt werden. Auch das Angebot für psychologische Betreuung von Kindern und Jugendlichen müsse ausgeweitet werden.

Der Bericht zeige einmal mehr, welch wichtige Rolle die Volksanwaltschaft spielt, unterstrich David Stögmüller (GRÜNE/O). Der Bundesrat dürfe stolz darauf sein, dass er einen eigenen Ausschuss für Kinderrechte habe. Der Sonderbericht liefere diesem eine breite Palette an Anregungen, in welchen Feldern die Politik aktiv werden muss. Die Anzahl der Kinder, die in Fremdunterbringung erzogen werden, steige leider. Stögmüller vermutet einerseits eine zunehmende Überforderung vieler Menschen. Andererseits habe auch die Sensibilität für Gewalt zugenommen, so dass nun öfter eingeschritten werde als früher. Umso erschreckender sei es dann aber, wenn Kinder in den Einrichtungen, in denen sie untergebracht sind, demütigende und brutalen Bestrafungen erfahren, wofür der Bericht erschütternde Beispiele biete. Auch Stögmüller setzt auf bundesweit einheitliche Standards für SozialpädagogInnen. Leider erweise sich der Föderalismus hier wieder einmal als hinderlich. Ein großes Anliegen ist Stögmüller die Lage der "Care Leavers", also Jugendlichen, die mit 18 die Fremdunterbringung verlassen müssen. Sie haben ein erhöhtes Risiko, an den Hürden des Erwachsenwerdens zu scheitern, doch fehle ein Rechtsanspruch auf Unterstützung. Auch hier haben die Bundesländer keine einheitlichen Standards, wie der Bericht darlege. Stögmüller brachte daher einen Entschließungsantrag ein, in dem die Schaffung eines Rechtsanspruchs auf Hilfe und Betreuung von hilfsbedürftigen jungen Erwachsenen nach einheitlichen Kriterien gefordert wird. Sein Antrag blieb jedoch in der Minderheit.

Volksanwältin Brinek: Unterbringung von Kindern braucht Gesamtkonzept

Volksanwältin Gertrude Brinek bedankte sich für das große Interesse an dem Bericht und die differenzierte Auseinandersetzung damit. Jede Einrichtung, in der Kinder untergebracht werden, sollte verpflichtend eine Strategie für Gewaltprävention und sexualpädagogische Konzepte haben, unterstrich sie. Leider sei das allgemeine gesellschaftliche Bewusstsein noch dort, wo man wolle, denn eíne "leichte Watsche" werde von vielen immer noch als legitimes Erziehungsmittel gewertet. Weiterhin werde auch über Kinder mit verschiedenen Beeinträchtigungen entschieden, ohne diese selbst über ihre Bedürfnisse zu befragen, die sie selbst sehr wohl kennen. Die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen müsse nach einem Konzept erfolgen, das die Fragen der körperlichen und psychischen Gesundheit gesamthaft betrachtet. Keinesfalls dürften ökonomische Kriterien ausschlaggebend sein, wo sie betreut werden. Brinek wies auf die Notwendigkeit hin, mehr Möglichkeiten zu temporärer Unterbringung bei Krisensituationen zu schaffen. Sie unterstrich auch, dass das Heimopferrentengesetz zwar "sicher gut gemeint" sei, aber in seiner derzeitigen Form noch nicht ausreiche, um alle Fälle zu erfassen. Sie hoffe daher auf gesetzliche Anpassungen, um weiteren Betroffenen eine Antragstellung zu ermöglichen.

Volksanwalt Fichtenbauer: Niemals wegsehen bei Gewalt gegen Kinder und Jugendliche

Nichts sei so schlimm wie Gewalt gegen Kinder, sagte Volksanwalt Peter Fichtenbauer. Leider zeige der Bericht auf, dass Kinder immer wieder in Gewalt von Sadisten geraten, die sich in allen Gesellschaftsschichten finden. Niemand, der gesellschaftliche Verantwortung trage, dürfe daher wegsehen, wenn Gewalt gegen Kinder und Jugendliche geübt wird. Wichtig sei es auch, immer wieder auf gesetzliche Verbesserungen zu drängen, selbst wenn es nur kleine Schritte sind. Ein erfolgreiches Beispiel ist für Fichtenbauer die Änderung der Bestimmungen über die Amtshaftung, wodurch LehrerInnen nun keine Befürchtungen wegen Haftungsansprüchen haben müssen, wenn sie einfache medizinische Hilfeleistungen für chronisch kranke Kinder in der Klasse leisten.

Der Sonderbericht der Volksanwaltschaft zum Thema Kinder und ihre Rechte in öffentlichen Einrichtungen wurde einstimmig zur Kenntnis genommen. (Fortsetzung Bundesrat) sox

Rückfragen & Kontakt:

Pressedienst der Parlamentsdirektion
Parlamentskorrespondenz
Tel. +43 1 40110/2272
pressedienst@parlament.gv.at

http://www.parlament.gv.at
www.facebook.com/ParlamentWien
www.twitter.com/oeparl



Quelle

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at

(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender.

Eigenes Pressefach für Ihre Pressemeldungen - Pressefach.eu

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen