Nach erster Durchsicht des Regierungsprogrammes hebt die BJV einige Punkte positiv hervor, übt aber auch Kritik an geplanten Maßnahmen.
Wien (OTS) – Im Vorfeld der Regierungsbildung hat die Bundesjugendvertretung (BJV) den KoalitionsverhandlerInnen ein eigenes Kinder- und Jugendprogramm mit konkreten Forderungen übermittelt. Jetzt nimmt die BJV zum Regierungsprogramm Stellung: „Es ist schade, dass manche zentralen Punkte wie die Umsetzung der UNO-Kinderrechtskonvention mit keinem Wort Erwähnung finden, und das obwohl 2018 ein Staatenbericht von Österreich an den Kinderrechteausschuss der UNO in Genf ansteht“, bemerken die BJV-Vorsitzenden Derai Al Nuaimi und Martina Tiwald.
Jugendschutz und Jugendstrategie wichtig
„Positiv fällt hingegen auf, dass die Vereinheitlichung des Jugendschutzes in Punkto Tabak, Alkohol und Ausgehzeiten angestrebt wird. Auch die Weiterentwicklung der Jugendstrategie in Österreich ist von der neuen Regierung beabsichtigt. Wir hoffen, dass dadurch der Jugendbereich in allen Ressorts aufgewertet wird“, erklären Tiwald und Al Nuaimi.
Bildungsbereich zentral
Im Bildungsbereich begrüßt die BJV, dass der Kindergarten als Bildungsort angesehen wird, was sich auch in der neuen Ressortverteilung niederschlägt. Kritisch sieht die BJV, dass im Bildungsbereich weiterhin auf Trennung fokussiert wird und defizitorientierte Pädagogik nun schon im Kindergarten Einzug halten könnte: „Dass ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr nur für Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen vorgesehen ist, sehen wir problematisch. Wir wissen noch nicht genau, wie die Bundesregierung den Sprachstand feststellen möchte. Wir befürchten aber, dass Kinder schon in ganz jungen Jahren unter Leistungsdruck geraten, was für den Lernerfolg und die Motivation völlig kontraproduktiv ist“, so BJV-Vorsitzender Al Nuaimi.
Im Schulbereich finden sich gute Ansätze, wie Modularisierung und Ausbau der ganztägigen Schulformen. „Der Ausbau der digitalen Infrastruktur an allen Schulstandorten ist aus Jugendperspektive zu begrüßen, ebenso die Öffnung der Schulen für andere Betreuungsformen. Dabei könnte die außerschulische Jugendarbeit das Angebot für SchülerInnen bereichern“, so Tiwald.
Mitbestimmung ausbauen
Widersprüchliche Schritte zeichnen sich im Bereich Mitbestimmung von jungen Menschen ab: „Wir begrüßen, dass SchülerInnenparlamente gesetzlich verankert werden sollen. Jedoch muss die Mitbestimmung auch bei Studierenden gewährleistet sein. Die geplanten Sanktionsmöglichkeiten gegenüber der Österreichischen HochschülerInnenschaft könnten diese aber deutlich einschränken“, kritisiert Al Nuaimi. Auch die Wiedereinführung der Studiengebühren lehnt die BJV ab.
Kinderkostenstudie fehlt
Ein weiterer Kritikpunkt der BJV ist, dass die längst fällige Aktualisierung der letzten Kinderkostenerhebung von 1964 völlig ausgeklammert ist. Für die BJV stellt eine Neuberechnung eine wichtige Grundlage für familienpolitische Maßnahmen dar. „Wir sehen dringenden Bedarf an einer Kindergrundsicherung, die Kindern Sicherheit bietet. Im Bereich der Mindestsicherung gehen die geplanten Maßnahmen aber in eine andere Richtung. Insgesamt sollte es bei der Mindestsicherung um eine grundrechtsorientierte Sozialleistung gehen, die auch den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt ermöglicht. Wir appellieren an die Bundesregierung, bei der genauen Ausgestaltung darauf zu achten, Menschen nicht weiter in Armut abrutschen zu lassen und v.a. auch Integration nicht zu erschweren.“, unterstreicht Al Nuaimi.
Prävention verstärken
Im Bereich Gewaltschutz begrüßt die BJV, dass Maßnahmen wie Notunterkünfte für Frauen und Kinder ausgebaut werden sollen, betont aber, dass hier verstärkt Schwerpunkte auf Prävention und Täterarbeit gelegt werden müssen.
BJV bringt gerne Expertise ein
Abschließend hält die BJV fest, dass viele Punkte im Regierungsprogramm noch sehr vage sind und eine Beurteilung daher von der konkreten Ausgestaltung abhängen wird. Die BJV wird die Details des Regierungsprogrammes in den nächsten Wochen einer ausführlicheren Betrachtung aus Kinder- und Jugendperspektive unterziehen und stellt der neuen Bundesregierung ihre Expertise gerne zur Verfügung.
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