Budget: Regierung erwartet 2023 nur geringfügigen Anstieg der Arbeitslosigkeit

Arbeitsminister Kocher sieht Ressort aber auch für Arbeitsmarktkrise gerüstet

Wien (PK) Die aktuelle Lage am Arbeitsmarkt und die in den kommenden Monaten zu erwartenden Entwicklungen standen im Mittelpunkt der Beratungen des Budgetausschusses über das Budgetkapitel Arbeit. Wie Arbeitsminister Martin Kocher erklärte, geht die Regierung, basierend auf einer Wifo-Prognose, nach wie vor davon aus, dass die Arbeitslosenrate 2023 trotz der sich eintrübenden Konjunktur nur geringfügig von 6,4% auf 6,7% steigen wird. Gleichzeitig soll sich die Zahl der Beschäftigten leicht erhöhen. Angesichts verschiedener Unabwägbarkeiten sei es allerdings schwierig, genaue Voraussagen zu treffen, machte der Minister geltend. „Niemand hat eine Glaskugel“, es könne sowohl schlimmer als auch besser kommen.

Kocher sieht das Ministerium aber auch für eine Arbeitsmarktkrise gut gerüstet. Schon in der Corona-Pandemie habe die Bundesregierung gezeigt, dass sie flexibel reagieren könne und etwa unter dem Jahr die Aktion Sprungbrett eingeführt. Zudem gebe es auch für 2023 eine Überschreitungsermächtigung für Kurzarbeitsbeihilfen.

Dass die aktuelle Prognose für den Arbeitsmarkt grundsätzlich positiv ist, führt Kocher darauf zurück, dass dieser resilienter geworden sei und außerdem weniger junge Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen. Zudem seien die Konsumausgaben derzeit immer noch relativ hoch, auch wenn die Stimmung zuletzt schlechter geworden sei. Auf der anderen Seite würden sich relativ starke Rückgänge in der Industrie und beim Bau bemerkbar machen. Diese Sektoren hätten während der Corona-Pandemie eine besondere Boomphase verzeichnet. Durch die hohe Unsicherheit würden Investitionen nun aber zurückgehen.

Kocher nahm mit seinen Ausführungen unter anderem auf FPÖ-Abgeordnete Dagmar Belakowitsch Bezug, die eine neue „Pleitewelle“ befürchtet. Zudem rechnet sie mit steigenden Arbeitslosenzahlen durch die aktuelle „Asylwelle“. Die Asylwerber:innen von heute seien die Arbeitslosen von morgen, zeigte sich Belakowitsch überzeugt.

Regierungsparteien verhandeln nach wie vor über Arbeitslosenversicherungsreform

Was die geplante Arbeitslosenversicherungsreform betrifft, erklärte Kocher, dass es nach wie vor „sehr intensive Gespräche“ innerhalb der Regierung gebe. Angestrebt werde eine aufkommensneutrale Reform, das sei immer klar gewesen, sagte er. Immerhin mache die Arbeitslosenversicherung schon seit längerem Verluste. Das bedeute aber nicht zwangsläufig, dass sich bei der Höhe des Arbeitslosengeldes nichts ändern werde, betonte Kocher gegenüber SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch: Bringe man, wie angepeilt, Menschen wieder schneller in den Arbeitsprozess, würde sich ein gewisser Spielraum bei der Leistungshöhe ergeben.

Im Zuge der Reform kann sich Kocher auch vorstellen, die Zuverdienstregeln für Arbeitslose zu adaptieren, wie er in Antwort auf eine Frage von NEOS-Abgeordnetem Gerald Loacker erklärte. Eine neuere Studie des AMS Kärnten habe gezeigt, dass bei Arbeitslosen, die kürzer arbeitslos sind, eine geringfügige Beschäftigung die Dauer der Arbeitslosigkeit tendenziell verlängere, während bei Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, eine geringfügige Beschäftigung eher dazu führe, dass sie wieder einen Job bekommen, schilderte er. Das könnte man bei einer Reform berücksichtigen. Allerdings verdienen Kocher zufolge nur ca. 10% bis 11% der Leistungsempfänger:innen geringfügig dazu, wobei es im Dienstleistungsbereich mehr sind.

Kritik der Abgeordneten Muchitsch und Belakowitsch an der Nichtvalorisierung des Arbeitslosengeldes hielt Kocher entgegen, dass die Nettoersatzrate mit steigenden Löhnen ebenfalls steige.

Deutlicher Rückgang bei Langzeitarbeitslosigkeit

Positiv hob Kocher hervor, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen zuletzt deutlich zurückgegangen sei. Mit ca. 77.000 langzeitarbeitslosen Personen liege man bereits unter dem Wert vor der Corona-Krise, sagte er. Das AMS habe „einen sehr guten Job gemacht“ und die Unternehmen hätten in der Aufschwungphase auch Menschen eine Chance gegeben, die es sonst schwer haben, einen Arbeitsplatz zu finden. Um die Langzeitarbeitslosigkeit weiter zu reduzieren, sollen die Anstrengungen laut Kocher fortgesetzt werden: Im Budget sei dafür ausreichend „Geld eingestellt“, auch wenn die „Aktion Sprungbrett“ auslaufe.

ÖVP-Abgeordneter Laurenz Pöttinger erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die SPÖ in Bezug auf die „Aktion Sprungbrett“ äußerst skeptisch gewesen sei und unter anderem vor einem „Rohrkrepierer“ gewarnt habe. Letztendlich sei dieses Programm aber erfolgreicher gewesen als die „Aktion 20.000“, machte er geltend. Dem hielten SPÖ-Sozialsprecher Muchitsch und seine Fraktionskollegin Gabriele Heinisch-Hosek entgegen, dass es in Zeichen der Hochkonjunktur eigentlich gelingen hätte müssen, die Zahl der Langzeitarbeitslosen noch weiter zu drücken.

Weiterhin hohe Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik

Konkret wurden im Rahmen der „Aktion Sprungbrett“ 44.200 Personen gefördert, wie Kocher auf Anfrage von Grünen-Sozialsprecher Markus Koza bekanntgab. Von den dafür eingesetzten 339,4 Mio. € gingen rund 30% an sozialökonomische Betriebe. Aus Mitteln der Corona-Joboffensive wurden dem Minister zufolge 205.000 Personen unterstützt.

Auch 2023 werde es ausreichende Budgetmittel für aktive Arbeitsmarktpolitik geben, versicherte Kocher. Pro Kopf gerechnet stehe sogar ein so hohes Budget wie noch nie zur Verfügung. Konkret nannte er einen Pro-Kopf-Betrag von 3.816 €, bezogen sowohl auf Arbeitslose als auch auf Schulungsteilnehmer:innen.

Auch am Umstand, dass Frauen bei der Verteilung der Mittel „positiv diskriminiert“ werden, hat sich laut Kocher nichts geändert. Die Arbeitslosenquote bei Frauen sei zwar etwas geringer als bei Männern, durch einen Bonus von 4% stünden für ihre Qualifizierung und andere Unterstützungsangebote aber mehr Mittel zur Verfügung. Das sei nicht zuletzt aufgrund der zu erwartenden Auswirkungen des steigenden gesetzlichen Pensionsantrittsalters von Frauen wichtig. Ebenso sollen spezielle Beratungsprogramme wie „Frauen und Technik“ fortgeführt werden.

Ein genereller Schwerpunkt im nächsten Jahr sollen laut Kocher Bemühungen sein, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Es gebe relativ viele arbeitslose Menschen, die maximal Pflichtschulabschluss haben und die vielleicht nicht perfekt deutsch sprechen, erklärte er. Hier gelte es, Qualifizierungsmaßnahmen zu ergreifen. Zudem setzt er auf die beschlossenen Reformen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte und auf Gesundheitsprävention, damit ältere Menschen länger im Arbeitsprozess bleiben. Derzeit haben ihm zufolge mehr als die Hälfte der über 60-jährigen Arbeitslosen gesundheitliche Einschränkungen. Es seien auch verstärkte Bemühungen von Unternehmen zu registrieren, ältere Beschäftigte zu halten.

Derzeit keine Änderung bei Altersteilzeit angedacht

Die Zahl der Personen, die sich derzeit in Altersteilzeit befinden, bezifferte der Arbeitsminister mit rund 37.000. Für 2023 werden 36.000 erwartet. Eine Änderung bei der geblockten Variante ist ihm zufolge im Moment nicht angedacht, eine Diskussion darüber zu einem späteren Zeitpunkt schloss er gegenüber NEOS-Abgeordnetem Loacker aber nicht aus. Was die Bildungskarenz und das damit in Zusammenhang stehende Weiterbildungsgeld betrifft, will Kocher eine derzeit laufende Prüfung des Rechnungshofs abwarten.

Keine Schätzungen gibt es laut Kocher in Bezug auf die erwartete Inanspruchnahme des Pflegestipendiums. Die vorgesehenen 1.400 € sollen ab Jänner ausgezahlt werden und auch jenen zugutekommen, die schon im September mit einer Umschulung in einen Pflegeberuf begonnen haben.

Mehr Geld für Lehrstellenförderung

Mehr Geld wird es laut Kocher im kommenden Jahr für die betriebliche Lehrstellenförderung geben. Abgesehen von geänderten Zahlungsflüssen werde das Budget von aktuell 229,4 Mio. € auf 270 Mio. € im kommenden Jahr aufgestockt. 2024 sollen 280 Mio. € bereitgestellt werden. Für NEOS-Abgeordneten Loacker ist diese Budgetsteigerung allerdings nicht nachvollziehbar, da das Ministerium laut Budgetunterlagen gleichzeitig von einer steigenden Zahl an offenen Lehrstellen ausgeht. Im Bereich der überbetrieblichen Lehrstellenförderung werden nach Angaben Kochers 11.600 Plätze zur Verfügung stehen.

Zur Forderung von FPÖ-Abgeordnetem Erwin Angerer nach Einführung einer Lehrabschlussprämie merkte Kocher an, es sei auch eine Aufgabe von Unternehmen, die Lehre attraktiv zu gestalten. Seitens des Arbeits- und Wirtschaftsressorts würden laufende Bestrebungen, die einzelnen Lehrberufe zu modernisieren, weitergeführt.  

In Richtung SPÖ-Abgeordnetem Dietmar Keck bekräftigte Kocher, dass sich an der Ausbildungsgarantie für Jugendliche bis 25 nichts geändert habe. Diese gebe es immer noch, es sei auch zu keinen Budgetkürzungen in diesem Bereich gekommen. Vielmehr stünden mit 650 Mio. € um 7 Mio. € mehr als 2022 zur Verfügung. Die Zahl der davon betroffenen Jugendlichen bezifferte er mit 105.000.

Rückgang der Planstellen beim AMS

Dass im kommenden Jahr bis zu 60 Planstellen beim AMS abgebaut werden sollen, begründete Kocher damit, dass die Zahl der AMS-Mitarbeiter:innen im Zuge der Corona-Krise aufgrund von Zusatzaufgaben, etwa in Zusammenhang mit Kurzarbeit, deutlich aufgestockt worden sei und nun sukzessive wieder zurückgefahren werden soll. Einen Vergleich mit früheren Zeiten hält er aber nicht für statthaft, schließlich sei die Struktur der Arbeitslosigkeit eine andere als noch vor 15 bis 20 Jahren. Die Integration einzelner Gruppen in den Arbeitsmarkt sei schwieriger geworden.

NEOS-Abgeordneter Loacker hatte davor gemeint, dass Österreich zwar den niedrigsten Stand an Arbeitslosen seit 14 Jahren aber nicht den niedrigsten Personalstand beim AMS seit 14 Jahren habe. SPÖ-Abgeordneter Alois Stöger hinterfragte hingegen den Personalabbau.

Was den umstrittenen AMS-Algorithmus anlangt, wies Kocher darauf hin, dass noch keine höchstgerichtliche Entscheidung dazu vorliege. Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens soll das Tool aber neu analysiert werden.

Ausgaben von 9,27 Mrd. € für Budgetuntergliederung Arbeit

Konkret sind für die Budgetuntergliederung Arbeit im Haushaltsentwurf 2023 (1669 d.B.) Ausgaben in der Höhe von 9,27 Mrd. € veranschlagt. Das ist ein Minus von 628,3 Mio. € bzw. 6,3% gegenüber dem Voranschlag 2022. Grund dafür sind vorrangig zu erwartende geringere Auszahlungen für Kurzarbeit. Außerdem schlagen das Auslaufen der Corona-Joboffensive, Minderausgaben für die Aktion „Sprungbrett“ sowie der Entfall der heuer gewährten Einmalzahlung für Arbeitslose zu Buche. Auf der anderen Seite machen sich zusätzliche Mittel für eine in Aussicht genommene Fachkräfteoffensive (120 Mio. €) und das neue Pflegestipendium (30 Mio. €) bemerkbar.

Der prognostizierte Anstieg der Arbeitslosenquote von 6,4% auf 6,7% wird außerdem zu Mehrausgaben für Arbeitslosengeld und Notstandshilfe in der Höhe von rund 340 Mio. € führen. Dieser erhöhte Budgetbedarf soll sich aufgrund steigender Tagsätze auch in den Folgejahren fortsetzen, wie aus dem neuen Bundesfinanzrahmen (1670 d.B.) hervorgeht. Weiters hat die Regierung für 2023 höhere Ausgaben für Nachverrechnungen für coronabedingte Sonderfreistellungen von Schwangeren und für Sonderbetreuungszeit, die Bildungskarenz sowie für das AMS budgetiert.

Die Einnahmen werden im kommenden Jahr laut Budgetentwurf um 442,6 Mio. € bzw. 5,4% auf 8,59 Mrd. € steigen. Hier schlagen sich insbesondere Mehreinnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung durch höhere Löhne und leicht steigende Beschäftigungszahlungen (+642,2 Mio. €) sowie Einnahmenausfälle aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds aufgrund der Umstellung der Lehrstellenförderung (-229,4 Mio. €) nieder. Insgesamt ergibt sich damit ein Negativsaldo von 680,5 Mio. € bei der Budgetuntergliederung Arbeit. 2021 hatte das Defizit noch 5,61 Mrd. € betragen, für heuer ist ein Minus von 1,75 Mrd. € veranschlagt.

Als wesentliche Ziele nennt das Ressort in den begleitenden Budgetunterlagen unter anderem die Erhöhung der Beschäftigungsquote älterer Menschen, die Reduzierung von Langzeitarbeitslosigkeit, die stärkere Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben und die Forcierung der Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt. So werden etwa weiterhin 57 Mio. € für die Umsetzung der Ausbildungspflicht bereitgestellt. Für das Programm „Sprungbrett“, von dem bisher vor allem Personen mit höchstens Pflichtschulabschluss und Arbeitssuchende zwischen 50 und 60 Jahren profitierten, stehen noch Sondermittel in der Höhe von 50 Mio. € zur Verfügung. Überdies können bei Bedarf durch Umschichtungen weitere Budgetmittel für diesen Bereich lockergemacht werden, wie es in den Erläuterungen heißt. Die Arbeitsinspektion will schwerpunktmäßig weiterhin u.a. die Arbeitssituation bei Wachdiensten und den Umgang von Unternehmen mit Gewaltrisiken am Arbeitsplatz prüfen.

Wie Kocher macht auch der parlamentarische Budgetdienst darauf aufmerksam, dass die Budgetzahlen eng mit der Entwicklung des Arbeitsmarkts verschränkt sind. Die aktuelle Wifo-Prognose gehe von durchschnittlichen Arbeitslosenzahlen im Jahr 2023 zwischen 280.000 und 286.000 Personen und damit von einem geringeren Wert als 2019 aus, halten die Budgetexperten in ihrer Analyse fest. Entwickle sich die Arbeitsmarktlage schlechter, würde das zu Mehrausgaben und Mindereinnahmen führen. (Fortsetzung Budgetausschuss) gs

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen.

Details zum Budget 2023, den Änderungen zu den Vorjahren sowie der Entwicklung des laufenden Budgetvollzugs bietet das interaktive Visualisierungstool des Budgetdiensts. Dort erhalten Sie einen raschen und transparenten Überblick über relevante Budgetdaten.

Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.


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