Artikel über „Österreich-Netzwerk“ von George Soros verstößt gegen Ehrenkodex

Wien (OTS) - Der Senat 1 des Presserats beschäftigte sich mit dem Artikel „George Soros – Das Österreich-Netzwerk des Mega-Spekulanten“, erschienen in „alles roger?“ vom 01.05.2018. Nach Ansicht des Senats verstößt dieser Artikel gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse.

Im Artikel geht es um George Soros und dessen „Netzwerk“. Soros wird darin als „Paradebeispiel eines ‚gierigen Hedgefondsmanagers‘“ und „nicht nur Liebkind mächtiger Kreise wie der Rothschilds, sondern auch der linken Szene“, bezeichnet. Im Vorspann des Artikels heißt es, dass der Einfluss von Soros vor allem die Massenzuwanderung und Globalisierung umfasse und sich immer mehr in unserem Land ausbreite. Zudem würden „Hauptstrommedien“ und eine Unzahl an „Hilfsorganisationen“ seinem Netzwerk dienen. Schließlich wird angemerkt, dass Soros und andere Superreiche „an der völligen Vermischung der Völker“ arbeiten würden. In einem Kasten mit der Überschrift „Biografie von George Soros“, der beim Artikel abgedruckt ist, wird behauptet, dass Soros als 14-jähriger Junge bei der Enteignung der jüdischen Bevölkerung in Ungarn geholfen habe.

Der damalige Chefredakteur und Verfasser des Artikels hielt in seiner schriftlichen Stellungnahme fest, dass er genau recherchiert habe und die Machenschaften „eines ausländischen, persönlich nicht erreichbaren Multimilliardärs“ in Österreich aufgedeckt habe. Für die Behauptungen im Artikel berief er sich u.a. auf das Buch „Die geheime Migrationsagenda“ von Friederike Beck sowie eine Webseite, auf der Positionen des amerikanischen Politikers Lyndon H. LaRouche wiedergegeben werden.

Der Senat wies zunächst darauf hin, dass er die Quellen, auf die sich der Verfasser beruft, nicht als vertrauenswürdig einstuft. Friederike Beck wird auf der antifeministischen und homophoben Webseite „WikiMannia“ geführt: Dort wird festgehalten, dass sie eine Studie über Hintergründe zur „gesteuerten Zivilinvasion“ vorgelegt habe. Ihr Buch mit dem Titel „Die geheime Migrationsagenda“, das der Verfasser mehrfach anführt, ist im deutschen Kopp-Verlag erschienen, der dafür bekannt ist, verschwörungstheoretische, rechtspopulistische und rechtsextreme Titel zu führen. Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden Württemberg überprüft diesen Verlag regelmäßig. Darüber hinaus wird der vom Verfasser angeführte Politiker Lyndon H. LaRouche auf „Wikipedia“ als Verschwörungstheoretiker bezeichnet. Im Sinne einer gewissenhaften und korrekten Recherche hielt es der Senat nicht für ausreichend, sich auf Informationsquellen zu berufen, die für Verschwörungstheorien bekannt sind. Die Herangehensweise des Autors verstieß daher gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex.

Österreichische Medien „im Soros-Netzwerk“

Im Artikel wird zudem der Eindruck erweckt, dass Soros auf mehrere österreichische Medien wesentlichen Einfluss ausübe und dass diese Medien „zum Soros-Netzwerk“ gehören würden. Der Verfasser betonte etwa, dass die Tageszeitungen „Der Standard“ und „Die Presse“ „Mitglieder beim Project Syndicate, einem weltweiten Zusammenschluss von über 500 Zeitungen und Zeitschriften [seien], über die Soros auch immer wieder unter eigenem Namen seine Ideen“ verbreite. Der Senat zweifelte nicht an, dass diese beiden Tageszeitungen als zwei von über 500 Medien weltweit am „Project Syndicate“ mitwirken. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Zeitungen von Soros beeinflusst werden oder gar „zu seinem Netzwerk gehören“. Das „Project Syndicate“ erhält nicht nur von Soros‘ „Open Society Foundations“ Spendengelder, sondern z.B. auch vom „European Journalism Centre“ oder der „Heinrich-Böll-Stiftung“. „Project Syndicate“ ist keine Einrichtung von Soros, sondern vielmehr eine unabhängige Kooperationsgemeinschaft, um Beiträge und Kommentare von namhaften Persönlichkeiten wie Chris Patten, Hans-Werner Sinn und Joseph E. Stiglitz auszutauschen. Die Schlussfolgerung, dass zwei österreichische Tageszeitungen, die an diesem unabhängigem internationalen Portal beteiligt sind und manchmal Beiträge davon übernehmen, Soros zuzurechnen seien, erschien dem Senat geradezu absurd. Diese Darstellung verstößt somit auf eklatante Weise gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex.

Weitere österreichische Organisationen „im Soros-Netzwerk“

Darüber hinaus wird im Artikel angemerkt, dass auch die österreichische „Frauen-Szene“ „eng mit dem Soros-Netzwerk“ verbunden sei. So sei der „Österreichische Frauenring“ Teil der von Soros mitfinanzierten „European Women’s Lobby“. Der „Frauenring“ habe 45 Mitglieder – von den „Autonomen Frauenhäusern“ über die „AMS-Frauenabteilung […] bis hin zum neuen Frauenvolksbegehren“.

Die „European Women’s Lobby“ ist die Vertretung europäischer Frauenorganisationen auf europäischer Ebene. Ihrer Webseite zufolge wird sie u.a. zu 76 % von der EU-Kommission und zu 13 % aus Geldern von Stiftungen finanziert. Die Spenden der „Open Society Foundations“ von Soros können somit lediglich einen kleinen Teil der Finanzierung dieser Einrichtung ausmachen. Dass die österreichischen Mitglieder der europäischen Frauenvertretung wegen dieser Finanzierung in Abhängigkeit zu Soros stehen sollen, war für den Senat nicht nachvollziehbar. Diese Behauptung verstößt ebenfalls gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex.

Schließlich wird im Artikel auch noch darauf hingewiesen, dass viele weitere Organisationen zum Soros-Umfeld gehören würden, u.a. die „Caritas“, das „Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte“, „Transparancy International“ und das „Burgtheater“. Der Verfasser beruft sich dabei auf die Aussage einer einzelnen Journalistin, ohne dies weiter zu begründen oder zu belegen. Nach Ansicht des Senats ist auch in diesem Fall die Recherche mangelhaft im Sinne des Punkt 2.1 des Ehrenkodex.

George Soros als Kollaborateur bei der Judenverfolgung

In einem Kasten beim Artikel mit der Überschrift „Biografie von George Soros“ wird behauptet, dass Soros als 14-Jähriger half, Eigentum anderer Juden zu beschlagnahmen, bevor sie in Konzentrationslager abtransportiert wurden. Dabei führt der Verfasser ein CBS-Interview aus den 1990er Jahren an. In dem Interview, das auf „Youtube“ abrufbar ist, hält Soros ausdrücklich fest, dass er selbst nicht an der Beschlagnahmung jüdischen Eigentums beteiligt und nur ein außenstehender Beobachter gewesen sei. Die weiteren Zitate aus dem Interview sind bewusst so arrangiert, dass der Eindruck entsteht, Soros bereue es nicht, an der Beschlagnahmung teilgenommen zu haben.
Die Darstellung im Kasten ist daher unrichtig und verstößt sowohl gegen Punkt 2.1 (korrekte Darstellung von Informationen) als auch gegen Punkt 5 (Persönlichkeitsschutz) des Ehrenkodex. Soros fälschlicherweise vorzuwerfen, bei der Beschlagnahmung von Vermögen seiner Landsleute beteiligt gewesen zu sein, stufte der Senat als Persönlichkeitsverletzung ein. Ihm wurde zu Unrecht eine Mittäterschaft bei der Verfolgung der Juden angedichtet.

Abschließende Bemerkungen

Zusammenfassend hielt der Senat fest, dass der Verfasser mit Verzerrungen und Unwahrheiten arbeitete und oftmals nicht ausreichend recherchierte. Der Artikel verstößt über weite Strecken gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex, wonach Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Informationen oberste Verpflichtung von Journalisten sind. Überdies weist der Artikel an mehreren Stellen antisemitische Untertöne auf, wenn etwa Soros als „Liebkind der Rothschilds“ bezeichnet wird. Der Senat erachtete es als besonders perfide, Soros die Mittäterschaft bei der Beschlagnahmung von jüdischem Eigentum zu unterstellen. Darüber hinaus wurden an verschiedenen Stellen des Artikels Migranten zumindest unterschwellig als Bedrohung dargestellt. Die auf Verschwörungstheorien fußende Aussage des Verfassers, dass „Soros und andere Superreiche an der völligen Vermischung der Völker arbeiten“, bewertete der Senat als diskriminierend gegenüber Migranten (siehe Punkt 7 des Ehrenkodex).

Der Senat stellte den Verstoß gegen den Ehrenkodex fest und forderte die Medieninhaberin von „alles roger?“ auf, die Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen.

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINER LESERIN

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig. Im vorliegenden Fall führte der Senat 1 des Presserats aufgrund einer Mitteilung einer Leserin ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht.

Die Medieninhaberin von „alles roger?“ hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, Gebrauch gemacht. Die Medieninhaberin von „alles roger?“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.

Rückfragen & Kontakt:

Tessa Prager, Sprecherin des Senats 1, Tel.: 01/21312-1169



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