AK Präsidentin Renate Anderl zum 1. Mai: Wir haben Konzepte für die Zukunft

Wien (OTS) Es war der 1. Mai 1890 als im Wiener Prater erstmals die Forderungen nach einem Acht-Stunden-Tag und einem sozialen Netz für Menschen in Not erhoben und durch den beharrlichen Einsatz der Gewerkschaften auch durchgesetzt wurden. „Und heute scheint es, dass diese Errungenschaften wieder in Gefahr sind und wir wieder erneut um sie kämpfen müssen“, sagt AK Präsidentin Renate Anderl. Die Absicht der Regierung, die gesetzliche Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden am Tag, auf 60 Stunden in der Woche auszuweiten oder das Vorhaben das letzte soziale Netz, die Notstandshilfe abzuschaffen und ein österreichisches Hartz IV einzuführen, sind der falsche Weg. Für Anderl ist klar: „Gemeinsam mit unseren Mitgliedern, den Gewerkschaften, dem ÖGB und BetriebsrätInnen und PersonalvertreterInnen schauen wir nach vorne und liefern Ideen für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen im Zeitalter des digitalen Wandels. Was wir nicht brauchen, ist ein Zurück zu den Rezepten des 19. Jahrhunderts.“

Recht auf geregelte, planbare Arbeitszeit
Die Arbeitszeit soll noch flexibler werden. „Das fordern Industrie und Teile der Wirtschaft und die Regierung springt. Dafür gibt es möglicherweise keine oder seltener Zuschläge für Mehr- und Überstunden, die angesparte Zeit kann man sich irgendwann nehmen – wenn es dem Unternehmen passt und nicht dann, wenn man sich erschöpft fühlt oder einmal mehr Zeit für sich, die Familie, Freunde oder für Fortbildung will“, kritisiert Anderl und verweist darauf, dass es schon jetzt unzählige Möglichkeiten gibt, die Arbeitszeit an die Bedürfnisse der Unternehmer anzupassen. Bei einer 60-Stunden-Woche wird es – vor allem für Frauen – noch schwieriger, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, für PendlerInnen wird die Zeit für Familie, Freunde und Freizeit und Erholung knapper, ehrenamtliches Engagement bleibt ebenso auf der Strecke wie die Gesundheit. Außerdem steigt die Gefahr von Unfällen. Die AK Präsidentin warnt die Regierung auch davor, die Regelung der Arbeitszeit auf die Betriebe zu verlagern: „Da sitzen die Chefs dann ihren Mitarbeiterinnnen und Mitarbeitern gegenüber. Unschwer vorzustellen, wer da am längeren Ast sitzt. Die Angst vor einem möglichen Arbeitsplatzverlust wird viele verstummen lassen.“ Anderl fordert dagegen insbesondere gesunde Vollzeitarbeit statt ungesunder Überstunden-Marathons ohne Zuschläge, eine echte Mitbestimmung bei der Arbeitszeitgestaltung und ein stärkeres Mitspracherecht der BetriebsrätInnen. Um den gestiegenen Druck in der Arbeit besser zu verkraften, sollte auch perspektivisch über eine Arbeitszeitverkürzung nachgedacht werden – etwa durch eine leichtere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche oder durch eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit.

Kein Hartz IV in Österreich
Momentan sinkt die Arbeitslosigkeit und steigt die Beschäftigung. „Doch diese Entwicklungen kommen nicht bei allen an“, sagt Anderl. Besonders ältere ArbeitnehmerInnen haben schlechte Karten am Arbeitsmarkt. Jetzt will die Regierung das soziale Netz von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe aufreißen und die Notstandshilfe durch eine bedarfsorientierte Mindestsicherung ersetzen. „Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und nicht die Bekämpfung von arbeitslosen Menschen muss im Zentrum der Politik sein. Mehr Druck auf die Betroffenen löst nichts, vor allem ältere Arbeitssuchende erhalten von vielen Betrieben schlichtweg keine Chance. Wenn Menschen fast ihr ganzes Erspartes aufbrauchen müssen, bevor sie Mindestsicherung erhalten, ist das unsozial und menschenverachtend“, erklärt Anderl.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort
Die Konkurrenz in manchen Branchen ist enorm – zum Beispiel am Bau oder im Gütertransport. „Um zum Auftrag zu kommen unterbieten sich die Firmen gegenseitig. Dabei sind alle legalen und illegalen Mittel recht. Dieser Preiskampf wird auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Auch die Firmen, die ihre Beschäftigten fair zahlen und korrekt anmelden, kommen unter Druck. Da kommt eine Spirale in Gang, die gestoppt und bekämpft gehört“, sagt Anderl. Das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ muss auch auf die Sozialversicherungsabgaben ausgeweitet werden. Anderl fordert zudem die personelle Aufstockung der Finanzpolizei, die Limitierung der Sub-Unternehmer-Ketten und den Ausschluss der Unternehmen von öffentlichen Förderungen, die sich nicht an Spielregeln halten.

Frauen verdienen um ein Haus weniger
„Die Gehaltsschere in Österreich hat sich nur minimalst geschlossen. In Sachen Einkommensgerechtigkeit liegen wir auf dem viertschlechtesten Platz im EU-Ranking“, sagt Anderl. Frauen und ihren Familien entgehen durchschnittlich 900 Euro brutto pro Monat. Rechnet man den Unterschied auf ein durchschnittliches Erwerbsleben hoch, beträgt der Verlust stattliche 435.000 Euro. „Es geht also um die Größenordnung eines schmucken Einfamilienhauses. Die Verluste setzen sich im Alter mit einer geringeren Pension noch fort.“ Anderl fordert Verbesserungen bei den Einkommensberichten, informativere Stelleninserate, mehr Kinderbetreuungsangebote, die Förderung junger Menschen, sich für den richtigen Beruf zu entscheiden und familienfreundliche Arbeitszeiten.

Digitalisierung politisch gestalten
„Digitaler Wandel ist kein Naturgesetz. Er muss politisch gestaltet werden – und zwar so, dass auch die Beschäftigten etwas davon haben. Dafür brauchen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer starke Interessenvertretungen“, erklärt Anderl. Aus ihrer Sicht wird auch Aus- und Weiterbildung für ArbeitnehmerInnen immer wichtiger. Darauf, so die AK Präsidentin, muss sich auch die Arbeitsmarktpolitik einstellen und neue Möglichkeiten der Weiterbildung schaffen und finanzieren.

Wohnen muss billiger werden
Die steigenden Mieten stehen in keinem Verhältnis zur Inflation oder der Lohnentwicklung der ArbeitnehmerInnnen. „Die Wohnkosten fressen bei vielen Menschen einen großen Teil des Haushaltsbudgets auf. Gerade junge Menschen können sich eigene vier Wände oft gar nicht mehr leisten“, sagt Anderl. Dramatisch ist auch der Anstieg der befristeten Mietverträge – „denn beim Auslaufen droht bei jeder Vertragsverlängerung ein teurer Umzug oder ein höherer Mietzins“. Ihre Forderungen: Obergrenzen für Mieten, ein einheitliches Mietrecht, die Streichung der Befristungen, das Aus für Maklerprovisionen, klare Erhaltungsregeln und „vor allem auch Wohnungen, Wohnungen und nochmals Wohnungen bauen – aber leistbare.“

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