AK Diskussion: Armutsbekämpfung ist mehr als Geld verteilen

Grundbedürfnisse Arbeit, Energiekosten, Wohnen, Gleichstellung

Wien (OTS) Im Rahmen des Projekts „So muss Sozialstaat“ diskutierte eine divers besetzte Runde die Frage: Welche Lücken hat der Sozialstaat unter den Vorzeichen von Teuerung und Klimakrise, welche Grundbedürfnisse können durch Geld und welche müssen durch Sachleistungen abgedeckt werden? Das diskutierten Fiskalratsvorsitzender Christoph Badelt, Alexander Machatschke, BA Wohnungslosenhilfe, Martina Madner, Journalistin Wiener Zeitung und Autorin, Sybille Pirklbauer, Leiterin AK Sozialpolitik und Marlene Seidel, Fridays for Future.

Chancen auf gute Arbeit und gute Bildung erhöhen, damit Armutskreislauf durchbrochen wird

Sybille Pirklbauer, Leiterin der AK Sozialpolitik, sagt: „Das größte Problem ist, dass es uns nicht gelingt überhaupt zu verhindern, dass Menschen in Armut abrutschen. Familien sind oft nicht arm, weil ein Elternteil so wenig verdient, sondern, weil die Kindergartenplätze fehlen, damit beide Eltern arbeiten gehen kann.“ Pirklbauer fordert einen Sozialstaat, der durch Sachleistungen Armut nachhaltig verhindert, indem die Beschäftigungschancen erhöht werden, u.a. Öffis in ländlichen Gegenden und Kinderbildung und -betreuung um Kindern die Bildungschancen für die Zukunft zu sichern.

Dass Menschen trotz Arbeit arm sind, liege oft an schlechten Arbeitsbedingungen. Marti-na Madner, Journalistin bei der Wiener Zeitung nannte als Problembranche die Gastronomie und den Tourismus, Bau, Zeitarbeit und Arbeitskräfteüberlassung. Hier würden die Menschen zum AMS geschickt, wenn nichts zu tun ist. Grundsätzlich könne man aber in jeder Branche arm werden, wenn man nur Teilzeitarbeit findet oder annehmen kann. Alexander Machatschke von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe erzählte: „Das rächt sich akut und in der Pension“, so Madner. Schon in den 1990ern gab es Menschen, die im Winter als Saisonniers in Tirol gearbeitet haben und im Sommer auf der Straße oder in Notunterkünften in Wien leben mussten“.

Badelt würde Unternehmen fürs Zwischenparken beim AMS in die Verantwortung nehmen

Ökonom Christoph Badelt konnte dem von Madner in die Diskussion eingebrachten „experience rating“ beim Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosenversicherung einiges abgewinnen. Dabei werden Betriebe belohnt, die sich langfristig um ihre Arbeitskräfte bemühen und jene, die überproportional Menschen in Arbeitslosigkeit schicken, zahlen mehr. Badelt: „Es gibt eine große Anzahl an Unternehmen, die das als Teil ihrer betriebswirtschaftlichen Strategie sehen, die nur anstellen, wenn sie Bedarf haben und den Rest zahlt die Gemeinschaft. Das muss ich auf der betriebswirtschaftlichen Seite unattraktiv machen, dann müssen diese Unternehmen auch höhere Beiträge zahlen.“

Energiekosten: „Klimapolitik ist Sozialpolitik“, sagt Marlene Seidel von Fridays for Future

Der Heizkostenzuschuss von 500 Euro sei eine wichtige und notwendige Maßnahme, um akut zu helfen. Schon mit der Annexion der Krim 2014 sei aber absehbar gewesen, dass „die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und autokratischen Regierungen“ zum Problem werden würde, kritisiert Marlene Seidel von Fridays for Future: „Jedes kurzfristige Problem war einmal ein langfristiges. Die Klimakrise wird große soziale Probleme machen. Menschen in einer Mietwohnung haben nicht die Möglichkeit, ihre Gastherme zu tauschen. Hier braucht es Unterstützung vom Staat. Das große Problem bei den CO2-Emmissionen sind nicht arme Menschen. Das oberste Einkommensviertel erzeugt allein für Mobilität so viel, wie das unterste Einkommensviertel insgesamt.“ Für Pirklbauer ist die thermische Sanierung ein Beispiel dafür, wie klima- und sozialpolitische Maßnahmen ineinandergreifen:
damit wird der Energiebedarf gesenkt und die Menschen von Energiekosten entlastet. Auch Badelt spricht sich als Fiskalrat dafür aus, Geld auszugeben, wenn es um soziale Probleme und Zukunftsfragen, wie die Rettung des Klimas geht, Geld auszugeben, „auch wenn das bedeutet, dafür Schulden zu machen“. In Sachen Finanzierung plädieren Pirklbauer und Seidel für eine Vermögenssteuer. Außerdem fordert Pirklbauer eine Übergewinnsteuer für Energieunternehmen „nicht nur in der Minimalvariante“.

Ohne Wohnung keine Arbeit

Alexander Machatschke von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe sieht seit zehn Jahren einen Trend, dass Menschen sich ihre Miete trotz Arbeit nicht mehr leisten können. „Wenn ein Mensch keine Wohnung hat, ist es ganz schwierig, zu arbeiten. Das beginnt damit, dass Arbeitgeber einen Meldezettel brauchen. Jemand, der auf der Straße oder in einer Notunterkunft lebt, schafft es nicht, sich zu waschen und sauber zu kleiden, um zur Arbeit zu erscheinen.“ Die Grundlage für eine Lösung des Problems sei mit dem kommunalen und sozialen Wohnbau da, ebenso sei der Wohnschirm eine gute Lösung. Wohnraum sei genug da: „Wir haben in Wien einen Überhang an Wohnraum, aber er ist nicht leistbar.“ Ökonom Badelt warnte vor einer Preisregulierung, besser sei mehr sozialer Wohnbau.

Gleichstellung: Pirklbauer will gerechten Zugang zu Staatsbürgerschaft

Armut in Österreich ist weiblich, Menschen mit jüngerer Zuwanderungsgeschichte sind ebenso stärker betroffen, stellte Madner die Faktenlage dar. AK Sozialpolitik Leiterin Pirklbauer fordert einen Sozialstaat, in dem „Menschen ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben führen können. Armut wird in Österreich viel zu stark vererbt“. Badelt sprach von einer „gewollten Diskriminierung“ von Menschen mit Zuwanderung am Arbeitsmarkt. Sprache und Herkunft seien auch eine Hürde beim Zugang zum sozialen Wohnraum, sagte Machatschke. Pirklbauer forderte einen gerechten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft und damit zum Wahlrecht, dann müssen die Menschen auch nicht mehr jeden Job annehmen, wo die Arbeitsbedingungen schlecht sind, das Geld kaum zum Leben reicht und die soziale Absicherung nicht da sei.

Die ganze Diskussion kann unter wien.arbeiterkammer.at/somusssozialstaat nachgesehen werden.

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Katharina Nagele
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