12-Stunden-Tag und Arbeitszeitflexibilisierung: Hartinger-Klein erwartet Regierungsvorlage im Herbst

Sozialausschuss befasst sich mit Oppositionsanträgen und EU-Vorhaben

Wien (PK) - Eine Reihe von Oppositionsanträgen sowie ein Bericht von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein stand im dritten Teil der heutigen Sitzung des Sozialausschusses zur Diskussion. Unter anderem debattierten die Abgeordneten über den 12-Stunden-Tag, die Einführung eines Rechtsanspruches auf Altersteilzeit und Pflegekarenz sowie die Forderung nach mehr Einkommenstransparenz zum Erreichen von Lohngerechtigkeit. Inhaltliche Beschlüsse wurden nicht gefasst. Die Initiative der NEOS für einen 12-Stunden-Tag wurde von ÖVP und FPÖ vertagt. Die Regierungsparteien wollen eine geplante Gesetzesvorlage der Regierung abwarten, die die Sozialministerin für Herbst in Aussicht stellte. Auch die anderen Anträge wurden vertagt bzw. abgelehnt. Den EU-Vorhabensbericht für Arbeit, Soziales, Konsumentenschutz und Gesundheit nahmen die Abgeordneten einhellig zur Kenntnis, er kommt auch im Nationalrat auf die Tagesordnung.

NEOS-Antrag für 12-Stunden-Tag stößt bei SPÖ und Liste Pilz auf deutliche Gegenstimmen

Beim Thema Arbeitszeitflexibilisierung will Gerald Loacker seitens der NEOS Nägel mit Köpfen machen. Gemäß einer Initiative seiner Fraktion ( 236/A) soll eine tägliche Normalarbeitszeit von 12 Stunden künftig dann möglich sein, wenn es zwischen ArbeitgeberIn und ArbeitnehmerIn eine Gleitzeitvereinbarung gibt und diese die Möglichkeit bietet, Zeitguthaben ganztägig zu verbrauchen. Für jeden Monat der Gleitzeitperiode muss außerdem zumindest ein ganzer Ausgleichstag ermöglicht werden und insgesamt ein zusammenhängender Verbrauch nicht ausgeschlossen sein. Eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit komme nicht nur den Bedürfnissen von Betrieben entgegen, sondern biete auch mehr Möglichkeiten, Beruf, Freizeit und Familie unter einen Hut zu bringen, ist Loacker überzeugt.

Die SPÖ und die Liste Pilz können Loackers Argumentation wenig abgewinnen. Es gebe jetzt schon eine Vielzahl an Regelungsmöglichkeiten zur Arbeitszeit, und zwar mit klaren Rahmenbedingungen, meinten etwa Markus Vogl und Dietmar Keck (beide SPÖ). Eine gesetzliche Änderung sei nicht notwendig, so Keck. Im Kern geht es darum, die Arbeit vernünftig zu verteilen, sagte Alois Stöger (SPÖ). Bestehende Modelle werden von ArbeitgeberInnen nicht ausgeschöpft, ergänzte Ausschussvorsitzender Josef Muchitsch (SPÖ), der außerdem vor Lohn- und Sozialdumping sowie Sozialabbau warnte. Bekämpfung von Lohndumping hob er als eine der großen Errungenschaften hervor. Er sprach sich dafür aus, in der Frage der Flexibilisierung jedenfalls einen Rechtsanspruch auf Freizeit mitzubedenken.

In die völlig falsche Richtung geht der NEOS-Antrag auch aus Sicht von Daniela Holzinger-Vogtenhuber. Die Arbeitszeit grundsätzlich zu verkürzen wäre die richtigere. Außerdem brauche es eine Differenzierung, etwa zwischen Büroarbeiten und körperlichen Tätigkeiten. Flexibilisierung sei ein schönes Wort, aber am Ende des Tages gehe es um Fragen, wie es beispielsweise um Kinderbetreuungseinrichtungen bestellt sei. In der Einschränkung bei Öffnungszeiten der Einrichtungen zeige sich genau die gegenteilige Tendenz zur Flexibilisierung, so Holzinger, die selbige daher nicht unterstützen kann.

Die Anforderungen an die Arbeitswelt verändern sich schnell, strich Klaus Fürlinger (ÖVP) hervor. Eine Kritik an Ausbeutung geht für ihn am Kern der Sache vorbei. Fürlinger geht es sowohl im Sinne von ArbeitnehmerInnen als auch ArbeitgeberInnen um eine Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes. Die Bundesregierung sei dabei, eine solche umzusetzen, bedankte er sich bei den NEOS für deren Input, plädierte aber für eine Vertagung des Antrags. Georg Strasser (ÖVP) nannte Beispiele, in denen MitarbeiterInnen mehr Flexibilität einfordern. Franz Hörl (ÖVP) verwies auf kleinere Betriebe, die Flexibilisierung benötigen.

Eine derzeit zu starre gesetzliche Lage sieht auch Petra Wagner (FPÖ). Die Digitalisierung habe einen großen Einfluss auf die Arbeitswelt, man müsse mit der Zeit gehen und hier flexibler werden. Etwa auch in der Pflege sei ein Mangel an Flexibilisierung ein großes Problem.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein sieht in der Arbeitszeitflexibilisierung gerade für Familien viel Nutzen. Eine Regierungsvorlage zum Thema soll im Herbst ins Parlament kommen, so Hartinger-Klein. An die SPÖ richtete die Ministerin den Appell, zu verstehen, dass sich in der Arbeitswelt einiges verändert hat. Es handle sich bei der Flexibilisierung jedenfalls nicht um Ausbeutung.

SPÖ setzt sich mit Rechtsanspruch auf Altersteilzeit nicht durch

Mit einem Antrag zur Schaffung eines Rechtsanspruches auf Altersteilzeit in Betrieben mit mehr als zehn MitarbeiterInnen ( 214/A) stieß die SPÖ auf Ablehnung. Das körperliche Bedürfnis, früher als derzeit möglich die Arbeitszeit vor der Pension zu reduzieren, sei zu berücksichtigen, so Alois Stöger (SPÖ). Mit der derzeitigen Regelung zwinge man Menschen aber früher in Pension. Markus Vogl verwies speziell auf die Situation von Frauen, hier gebe es Auswirkungen, die man sich ansehen sollte. Auch Daniela Holzinger-Vogtenhuber (Pilz) sieht viele Fälle, wo es durch eine Reduzierung der Arbeitszeit möglich wäre, das Pensionsantrittsalter zu erhöhen.

Die jetzige Regelung sei ein Erfolgsmodell, argumentierte umgekehrt Norbert Sieber (ÖVP). Dieses Einvernehmensmodell solle nicht durchbrochen werden. Für Peter Wurm (FPÖ) stellt sich aber auch die Frage der sonstigen Maßnahmen, um bis zur Regelpension zu arbeiten. Gerald Loacker (NEOS) verwies auf eine massive Erhöhung der Kosten für die Altersteilzeit, besonders problematisch sei hier die geblockte Altersteilzeit.

Für Sozialministerin Beate Hartinger-Klein würde ein Rechtsanspruch auf Altersteilzeit mehrere gravierende Probleme bringen, bis hin zur Gefahr, vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben zu werden. Grundsätzlich sei die Entwicklung der Altersteilzeit von 2016 auf 2017 deutlich ansteigend, auch die von Loacker angesprochene geblockte Variante.

SPÖ erhofft sich von Einkommenstransparenz mehr Lohngerechtigkeit

Kontroversiell wurden auch weitere von der SPÖ eingebrachte Initiativen diskutiert. So stieß etwa die Forderung von Gabriele Heinisch-Hosek und Josef Muchitsch nach umfassender innerbetrieblicher Gehaltstransparenz ( 226/A) auf wenig Verständnis bei ÖVP, FPÖ und den NEOS und wurde mehrheitlich abgelehnt. Um mehr Lohngerechtigkeit zu erreichen, will die SPÖ u.a. allen Beschäftigten eines Unternehmens umfassenden Einblick in Gehaltslisten gewähren. Zudem drängt sie auf eine Ausweitung der Einkommensberichte und weitere Vorgaben für Stellenausschreibungen. Abgeordneter Markus Vogl (SPÖ) meinte, mehr Transparenz in den Betrieben wäre sinnvoll, damit unerklärbare Einkommensunterschiede aufgezeigt werden können.

Klaus Fürlinger (ÖVP) betonte, dass man das Ziel von gleichem Lohn für gleiche Arbeit teile. Die Einkommensberichte seien schon jetzt kaum geeignet, um tatsächlich vergleichbare Daten über Einkommen zu liefern. Eine weitere Ausweitung würde nur den Verwaltungsaufwand der Unternehmen erhöhen. Zudem seien sie mit den nun verschärften Datenschutzbestimmungen wohl schwer vereinbar. Ähnlich sah das auch Gerald Loacker (NEOS), der ebenfalls die Aussagekraft und Wirksamkeit der Berichte anzweifelte und mehr Bürokratie für die Unternehmen befürchtete. Um die Einkommensschere zu schließen, müsste man andere Wege suchen, etwa die Erwerbstätigkeit von Frauen erhöhen. Die Bundesregierung habe zuletzt jedoch leider wieder negative Beschäftigungsanreize gesetzt.

Liste Pilz fordert Rechtsanspruch auf Pflegekarenz und Pflegeteilzeit

Vertagt wurde ein Antrag der Liste Pilz zum Thema Pflegekarenz und Pflegeteilzeit ( 197/A(E)). Daniela Holzinger-Vogtenhuber will erreichen, dass Beschäftigte diese Instrumente im Bedarfsfall auch ohne Zustimmung des Arbeitgebers Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit in Anspruch nehmen können. Derzeit seien ArbeitnehmerInnen - anders als etwa bei der Sterbebegleitung oder der Begleitung schwerstkranker Kinder - auf das Verständnis und die Gutmütigkeit des Arbeitgebers angewiesen, kritisiert sie. Sie sollten einen Rechtsanspruch haben, vorübergehend unter Entfall des Gehalts eine berufliche Auszeit von einem Monat bis drei Monaten zu nehmen oder so lange die Arbeitszeit zu reduzieren. In Fällen, in denen überraschend ein Pflegefall in der Familie eintritt oder sich der Gesundheitszustand eines zu pflegenden Angehörigen rapide verschlechtert, könnten sie damit die Zeitspanne bis zur Organisation einer angemessenen Betreuung überbrücken. FPÖ-Abgeordnete Petra Wagner meinte dazu, diese Frage müsse im Rahmen eines Gesamtkonzepts diskutiert werden, und stellte einen Vertagungsantrag, der die Mehrheit von ÖVP und FPÖ fand.

SPÖ drängt auf Weiterführung der Ausbildungsgarantie bis 25

Noch unter der rot-schwarzen Regierung hat das Parlament eine Ausbildungsgarantie für Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 beschlossen. Für Personen, die maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen, bietet das AMS seit Anfang 2017 spezielle Um- und Nachqualifizierungsmaßnahmen an. Die SPÖ fürchtet nun, dass dieses Programm Ende 2018 auslaufen wird, da für 2019 keine Mittel mehr budgetiert seien. SPÖ-Abgeordneter Josef Muchitsch wollte Sozialministerin Hartinger-Klein daher explizit auffordern, das Programm weiter zu finanzieren, konnte sich mit einem entsprechenden Entschließungsantrag ( 213/A(E)) aber nicht durchsetzen. Angesichts der Arbeitsmarktlage wolle man AMS-Mittel flexibel einsetzen können, begründete ÖVP-Abgeordneter Fürlinger die Ablehnung der Initiative. FPÖ-Abgeordnete Carmen Schimanek erfuhr von Sozialministerin Hartinger-Klein, dass derzeit 6.700 Personen im Rahmen der Aktion ausgebildet werden. Eine Entscheidung über eine Fortführung für 2019 werde demnächst fallen, teilte die Ministerin mit. Für die bereits in der Aktion befindlichen Jugendlichen und jungen Erwachsenen werde es in jedem Fall Programme im Rahmen von "Job aktiv" geben, sagte sie auf Nachfrage von Ausschussobmann Muchitsch.

SPÖ gegen Abschaffung des Jugendvertrauensrates

Sorgen macht sich die SPÖ auch um den Fortbestand des Jugendvertrauensrates ( 125/A(E)), eine ihrer Meinung nach wichtige Einrichtung für Lehrlinge und Betriebe. Jugendvertrauensräte, die es seit 1973 gibt, hätten sehr viel zur Verbesserung der Qualität der dualen Ausbildung beigetragen, sagte Dietmar Keck (SPÖ). Die Absenkung des Wahlalters bei Betriebsratswahlen auf 16 Jahre sei noch kein ausreichender Ersatz für diese wichtige Möglichkeit der Mitbestimmung von Jugendlichen im ihrem Betrieb. Auch Daniela Holzinger-Vogtenhuber von der Liste Pilz sprach sich gegen eine Abschaffung der Jugendvertrauensräte aus, solange kein neues Modell für eine adäquate Vertretung von Jugendlichen vorliege. Seitens der ÖVP argumentierte Michael Hammer, dass man erst das neue Modell der Bundesregierung für die Vertretung von Jugendlichen in Betrieben abwarten sollte. Ein von FPÖ-Abgeordneter Andrea Schartel daraufhin gestellter Vertagungsantrag fand die Mehrheit der Koalition.

Sozialversicherungen: NEOS für Neudefinition des Verwaltungsaufwands

Noch ein zweites Mal waren die Sozialversicherungen Thema im heutigen Sozialausschuss. NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker fordert neue Rechnungslegungsvorgaben für die einzelnen Träger, da er bezweifelt, dass deren Verwaltungsaufwand tatsächlich so niedrig ist, wie offiziell dargestellt ( 206/A(E)). Die im internationalen Vergleich guten Werte sind seiner Meinung nach vor allem auf unterschiedliche Berechnungsmethoden zurückzuführen, die niedrigere Verwaltungskosten ausweisen, als es der Realität entspricht. SPÖ-Abgeordneter Michael Vogl hielt ihm entgegen, auch andere Berechnungen würden nicht zu den von Loacker behaupteten Verwaltungskosten führen. ÖVP-Mandatar Michael Hammer verwies auf die Pläne der Bundesregierung zur Senkung von Verwaltungskosten und beantragte die Vertagung, der FPÖ und ÖVP zustimmten.

EU-Vorhabensbericht einhellig zur Kenntnis genommen

Einhellig zur Kenntnis nahm der Ausschuss schließlich den Bericht von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein über aktuelle EU-Vorhaben in den Bereichen Arbeit, Soziales, Konsumentenschutz und Gesundheit ( III-98 d.B.), in dem das Sozialressort unter anderem über Pläne zur Einführung einer europäischen Sozialversicherungsnummer und zur Überarbeitung der Trinkwasser-Richtlinie sowie die Aussicht genommene Einrichtung einer Europäischen Arbeitsbehörde informiert. Über einige der Legislativvorschläge hat auch bereits der EU-Unterausschuss des Nationalrats beraten (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 568/2018, 569/2018, 571/2018).

Hartinger-Klein berichtete, dass die allgemeine Ausrichtung Österreichs im nahenden EU-Ratsvorsitz die Rolle des neutralen Maklers sein wird. Zur Diskussion im Ausschuss stand auch die Europäische Arbeitsbehörde ELA, hier soll es keinesfalls zu Doppelgleisigkeiten kommen, so die Ministerin. Betreffend die Standortfrage Wien müssten zuerst Chancen und Kosten evaluiert werden. Das Thema sozialer Schutz für ArbeitnehmerInnen und Selbständige sei ihr wichtig im Zusammenhang mit Digitalisierung und neuen Arbeitsformen, sagte Hartinger-Klein.

Weitere Themen, die von den Abgeordneten aufgeworfen wurden, waren etwa Grenzgänger und Arbeitslosengeld, verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Barrierefreiheit, Lohn- und Sozialdumping, sowie der Rahmen für Entsendungen. Hinsichtlich der Pläne der Bundesregierung zur Mindestsicherung geht Hartinger-Klein davon aus, dass diese auch europarechtlich halten werden. (Schluss Sozialausschuss) gs/mbu/sox

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